Netflix: Schnorrer-Boykott als genialer Schachzug?
Kann Netflix die Crash-Geschichte von Blockbuster wiederholen? Oder startet die Aktie zu neuen Höhenflügen? Netflix geht ins Risiko und legt den Schalter um: Denn jetzt werden nicht die Abonnenten zur Kasse gebeten, sondern alle, die bisher gratis auf demselben Account mitschauen.
Was im Internet bereits für viele Protestkommentare in Großbuchstaben gesorgt hat, wird von Netflix weiter ausgerollt. 5 Euro kostet es jetzt in Deutschland für alle, die bisher gratis bei einem zahlenden Abonnenten zugeschaut haben. Wer sein Abo weiterhin behält, muss über seine IP-Adresse sein Netflix-Gerät bestätigen. Das soll auch unterwegs gehen, beispielsweise im Hotel.
Wie das genau in der Praxis läuft, wird sich noch zeigen. Ob die Sperre per VPN umgangen werden kann oder welche anderen Tricks es gibt – das Internet wird schon recherchieren. Mal sehen, was die Schwarmintelligenz für Lösungen herausfindet. Es ist natürlich auch ein ganz interessantes Projekt, wenn Sie sich vorstellen, Sie arbeiten bei Netflix und müssten eine Lösung dafür finden. Der Abonnent soll weiterhin bequem schauen können und alle anderen werden Steine in den Weg gelegt.
Für Netflix scheint dieser Plan bisher aufzugehen. Die Aktie steigt und steigt. Obwohl überall Protest-Tweets zu finden sind, dass die Leute Netflix kündigen wollen, wenn die Regel aktiviert wird, dass nur noch ein Haushalt schauen kann – und nicht mehr die ganze Familie oder Freunde.
Netflix im Wochenchart
Als Anleger möchte man meinen, das ist ein klarer Short. Netflix verärgert die Zuseher und dazu sind wir auch noch an einer Trendlinie angekommen, die über Jahre verläuft. Aber die letzten Kursanstiege zeigen, dass der Plan tatsächlich für Netflix aufgehen kann.
(Quelle: Tradingview.com)
Es ist ja auch so: Alle, die bereits zahlen, können weiterschauen ohne Mehrkosten. Diejenigen, die sich jetzt beschweren, sind wohl in der Regel die „Schwarzseher“, die also nichts zahlen, um in den Genuss von Filmen und Serien zu kommen. Wer hier weiterhin das Angebot nutzen möchte, hat vermeintlich 5 Euro im Monat übrig. Und selbst wenn das nur ein Bruchteil der „Netflix-Schnorrer“ macht, ist das ein Zusatzgeschäft für den Konzern.
Fazit
Natürlich macht Netflix sich mit dieser gravierenden Änderung keine Freunde. Die Abonnenten können weiterhin – auch von unterwegs – bestätigen, dass sie Zugriff haben dürfen. Wie das genau funktioniert, müssen wir abwarten. Wenn es dazu immer eine Bestätigungsmail braucht oder einen SMS-Code, der den Nutzer freischaltet, dann ist das sicherlich auch für Gratis-Seher möglich. Nur etwas umständlicher für alle Beteiligten.
Grundsätzlich bin ich auch kein Fan von dieser Neuerung. Bei meinem Abo schauen eine Freundin, meine Tante, sowie Tante und Onkel meiner Frau mit. Wenn ich denen jetzt jedes Mal einen Code schicken muss, bevor die schauen können, nervt das schon.
Vor allem: Wir sind nicht das erste Land, indem Netflix diese Änderung umsetzt. Und der Aktienkurs zeigt, dass die Investoren diese Methode zur Umsatzsteigerung akzeptieren und keine großen Gefahren sehen. Das sieht der Nutzer natürlich anders. Die nächsten Quartalszahlen werden am 17.7.23 veröffentlicht. Mal sehen, ob es dort dann eine Überraschung gibt bei der Anzahl der Abonnenten.