Sperrminorität bei Aktiengesellschaften: Definition, Folgen und Beschlüsse
Um als Aktiengesellschaft Beschlüsse zu fassen, sind Abstimmungen mit einer klaren Mehrheit erforderlich. Während bei unternehmerischen Entscheidungen in der Regel ein Anteil von mehr als 50 Prozent ausreichend ist, gibt es bei Aktiengesellschaften auch wichtige Beschlüsse, die eine qualifizierte Mehrheit von 75 Prozent (eine Dreiviertelmehrheit) erfordern.
Demnach reicht bereits eine Minderheit von 25,1 Prozent aus, um diesen Beschluss zu verhindern. In diesem Kontext spricht man von der Sperrminorität. Doch was versteht man unter diesem Begriff? Und was sind die Folgen der Sperrminorität?
Was ist eine Sperrminorität?
Grundsätzlich bezeichnet der Begriff Sperrminorität eine Minderheit an Stimmen, die jedoch zur Verhinderung eines Beschlusses im Rahmen einer Abstimmung ausreichend ist. Bei Aktiengesellschaften führt die Sperrminorität dazu, dass spezielle Beschlüsse blockiert werden können – und zwar trotz einer Mehrheit von z.B. 51 Prozent.
Jedoch kann eine Sperrminorität nicht bei jeder Entscheidung einer Aktiengesellschaft auftreten. Stattdessen ist diese abhängig von der Art des Beschlusses und damit von dem notwendigen Mehrheitsanteil.
Was ist der Zweck der Sperrminorität bei Aktiengesellschaften?
Der Sperrminorität bei einer Aktiengesellschaft liegt derselbe Gedanke zugrunde wie bei etlichen anderen Gesellschaften, Gremien und staatlichen Organen: der Schutz von Minderheiten vor einsamen Mehrheitsbeschlüssen.
Dieses Vetorecht ist jedoch zugleich ein Machtinstrument. Denn die Sperrminorität erlaubt es einer Minderheit, bei wichtigen Beschlüssen des Unternehmens mitzureden und demnach das Vorhaben der Aktiengesellschaft und auch die Unternehmensführung gezielt zu beeinflussen – und das obwohl sie keine Mehrheit besitzen.
Diese Macht kann bei Aktiengesellschaften jedoch nur bei einer notwendigen Dreiviertelmehrheit von 75 Prozent ausgeübt werden. Diese sogenannte qualifizierte Mehrheit wird jedoch nur bei bedeutsamen Entscheidungen benötigt.
Die Herausforderung der Sperrminorität besteht zudem darin, die erforderliche Mindeststimmzahl zu organisieren. Einfacher ist dies für einen Anteilseigner, der mehr als 25% Aktien hält.
Welche Beschlüsse kann eine Sperrminorität verhindern?
Alle Beschlüsse einer Aktiengesellschaft, bei denen eine qualifizierte Dreiviertelmehrheit von 75 Prozent erforderlich ist, können abgenickt oder per Sperrminorität verhindert werden.
Einer Sperrminorität kann gemäß des AktG bei folgenden Beschlüssen auftreten:
- Nachgründungen mit über 10% des Grundkapitals (§ 52 AktG)
- Vom Aufsichtsrat verweigerte Entscheidungen
- Abberufung von Aufsichtsratmitgliedern (§ 103 AktG)
- Rechtebeschränkungen von Vorzugsaktionären (§ 141 AktG)
- Kapitalerhöhungen oder –herabsetzungen (u.a. §§ 182, 291, 207, 221, 222 AktG)
- Satzungsänderungen (§ 179 AktG)
- Auflösung der Gesellschaft (§§ 262, 274 AktG)
- Unternehmens-, Beherrschungs-, Gewinnabführungsverträge (§ 292 AktG)
- Fusionen (§ 319 AktG)
- Vermögensübertragungen auf die öffentliche Hand der Rechtsform, z.B. in eine KGaA (Kommanditgesellschaft auf Aktien) (§ 362 AktG)
Gewinnausschüttungen übrigens fallen nicht unter die Sperrminorität. Für sie reicht die einfache Mehrheit von über 50%.
Was ist eine faktische Sperrminorität?
Die faktische Sperrminorität bezeichnet einen besonderen Fall, bei dem nicht zwingend 25,1 Prozent der Stimmen erforderlich sind, sondern zum Beispiel auch nur 22 Prozent, um eine Entscheidung zu verhindern. Diese faktische Sperrminorität tritt auf, wenn auf der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft nicht alle Aktionäre – welche in ihrer Gesamtheit die 100 Prozent der Gesellschafter abbilden – vertreten sind.
Sollten zum Beispiel nur 85 Prozent der Aktionäre bei der Hauptversammlung anwesend sein, verringert sich ebenfalls die erforderliche prozentuale Minderheit an Stimmen – in diesem Fall auf ca. 21,3 Prozent. Demnach reicht eine Minderheit von 22 Prozent für die Blockierung des Beschlusses aus.
Welche Auswirkungen hat eine Sperrminorität durch den geschäftsführenden Gesellschafter?
Sollte der geschäftsführende Gesellschafter eines Unternehmens eine Sperrminorität erreichen, kann dies Auswirkungen auf seine Sozialversicherungspflicht haben. Kann der Geschäftsführer wichtige Beschlüsse durch die Sperrminorität verhindern, wird dieser in der Regel nicht mehr als klassischer Arbeitnehmer gezählt, wodurch die Sozialversicherungspflicht entfällt.