Wie funktioniert ein Börsengang? IPO in 5 Schritten
Was ist ein Börsengang?
Ein Börsengang (auch IPO bzw. Initial Public Offering genannt) beschreibt einen Prozess, bei dem ein Unternehmen erstmals Aktien zum Kauf an einer Börse anbietet. Wie aus dem englischen Begriff IPO abgeleitet werden kann, geht es um das erste öffentliche Angebot, man spricht auch von einer Neuemission von Aktien.
Der Börsengang ist unter angloamerikanischen Firmen deutlich beliebter als bei deutschen Unternehmen. Vor allem mittelständische Unternehmen bevorzugen in Deutschland eher den Weg zur Bank bzw. zum Kreditgeber, als das Unternehmen an die Börse zu bringen. Im angloamerikanischen Raum kommt es im Lebenszyklus eines Unternehmens zudem deutlich früher zu Börsengängen als in Deutschland, wo die Unternehmen länger privat bleiben, bevor sie an die Börse gehen. Mögliche Gründe für die größere Beliebtheit von IPOs im angloamerikanischen Raum sind die größere Anzahl an potenziellen Investoren und die größeren Börsen, die es erlauben, deutlich mehr Geld für das Unternehmen zu lukrieren, als in Deutschland.
In diesem Artikel werden die verschiedenen Gründe, die Vor- und Nachteile und die Voraussetzungen für den Börsengang erläutert. Zudem wird der gesamte Prozess des Börsengangs in fünf Schritten zusammengefasst.
Welche Gründe gibt es für den Börsengang?
Unternehmen benötigen nicht nur Geld bei der Gründung, sondern auch, um ihre weitere Entwicklung voranzutreiben. Der Weg an die Börse ermöglicht es Firmen, neues Kapital von Investoren einzusammeln, um Wachstum und Expansion zu fördern und zu finanzieren. Der offensichtlichste und wichtigste Grund für einen Börsengang ist also meist die Kapitalbeschaffung. Es gibt jedoch eine ganze Reihe von Gründen und Vorteilen, die ein Unternehmen dazu veranlassen, den Weg an die Börse zu wagen:
- Kapitalbeschaffung: Beschaffung von Kapital durch die Ausgabe von Aktien zur Finanzierung neuer Investitionen, zur Erweiterung der Geschäftstätigkeit oder zur Rückzahlung von Schulden
- Liquidität: Durch die leichte Handelbarkeit von Aktien, können Unternehmensanteile von den Besitzern rasch in Bargeld umgewandelt werden
- Wachstum: Durch den Börsengang wird es einer breiten Öffentlichkeit möglich, sich an einem Unternehmen zu beteiligen
- Gesteigerte Bekanntheit: Erhöhung der Marktpräsenz und Erhöhung der Glaubwürdigkeit, da sich börsennotierte Unternehmen an Transparenz- und Berichtspflichten halten müssen
- Wertsteigerung: Die Börsennotierung kann die Wahrnehmung und das Ansehen des Unternehmens steigern und dadurch höhere Bewertungen ermöglichen
1. Schritt: Die Überprüfung der Börsenreife
Auch wenn die Gründe bzw. die Vorteile eines Börsengangs auf der Hand liegen, so ist der Gang an die Börse ein aufwändiges und vor allem ein sehr langwieriges Unterfangen. Üblicherweise müssen Unternehmen mit bis zu einem Jahr und hohen finanziellen Aufwendungen rechnen, um einen Börsengang erfolgreich abwickeln zu können. Dabei sollte ein Unternehmen eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen, bevor es über den Schritt des IPO nachdenkt. Ein Unternehmen sollte vor dem Gang an die Börse:
- Seit einigen Jahren am Markt präsent sein
- Eine gute Marktposition haben
- Ein erfolgreiches Geschäftsmodell aufweisen
- Eine stabile finanzielle Basis haben
- Nachhaltig Einnahmen erzielen
- Über ein erfahrenes Management-Team verfügen
Um diese Voraussetzungen bzw. die Börsenreife eines Unternehmens zu überprüfen, wird eine unabhängige Person zur IPO-Beratung und zur Analyse beauftragt. Dabei werden die Stärken und Schwächen des Unternehmens, sowie die aktuelle Wettbewerbssituation und das Börsenumfeld genauer unter die Lupe genommen. Erst wenn Klarheit darüber herrscht, ob ein Unternehmen in der Lage ist, alle gesetzlichen, wirtschaftlichen und organisatorischen Anforderungen eines Börsengangs zu erfüllen, kommt es zur weiteren Planung und Umsetzung.
2. Schritt: Auswahl der Banken als Konsortialführer
Ein Börsengang gelingt nicht im Alleingang. Stattdessen holen sich Unternehmen die Unterstützung von Banken und führen entsprechende Verhandlungen. Meist werden die Unternehmen über den gesamten Prozess des Börsengangs von mehreren Banken begleitet. Am Ende der Verhandlungen wird in der Regel jedoch immer eine Konsortialbank bestimmt, die den Börsengang federführend leitet. Diese Phase des Börsengangs wird häufig auch als Pre-Marketing Phase bezeichnet.
3. Schritt: Bekanntmachung des Unternehmens und des Börsengangs
Im Rahmen der Marketing-Phase geht es darum, das Unternehmen bekannt zu machen, es möglichen Großinvestoren vorzustellen und allgemein das Interesse von potenziellen Anlegern zu wecken. Dies geschieht über die beteiligten Banken, über Anzeigen in der Presse, über „One-on-One-Meetings“ und über sogenannte IPO-Roadshows, in dessen Rahmen Publikums- und Pressekonferenzen abgehalten werden. Auch Anlageberater sollen auf die Aktien des Unternehmens aufmerksam gemacht werden.
Bisher war es für das Unternehmen nicht nötig, Unternehmensdaten zur Verfügung zu stellen. Die Vermarktung des Unternehmens steht nun jedoch im Vordergrund und oberstes Ziel ist es, der Firma ein positives Image zu verleihen und sie möglichst bekannt zu machen. Im Zuge dieser Marketing-Phase wird häufig auch bereits das Interesse der Anleger erhoben und Preisvorstellungen in Erfahrung gebracht bzw. mögliche Preisspannen ausgelotet.
4. Schritt: Den Preis festlegen
Früher oder später stellt sich natürlich die Frage nach dem Preis, zu dem die Aktien bzw. die Unternehmensanteile ausgegeben werden sollen. Der Ausgabepreis (Vorschlag: Artikel zum Ausgabepreis verlinken), der bei Wertpapieren auch Emissionspreis genannt wird, kann dabei mit verschiedenen Verfahren ermittelt werden.
Das Festpreisverfahren war bis Mitte der 1990er Jahre das dominierende Verfahren in Deutschland. Mittlerweile dominiert hierzulande jedoch das Bookbuilding-Verfahren (zu Deutsch: Orderbuch-Verfahren). Das Auktionsverfahren (auch Tender-Verfahren genannt) wird in Deutschland eher selten angewendet.
Das Bookbuilding-Verfahren ist übrigens nicht nur in Deutschland das dominierende Verfahren, sondern erfreut sich auch international großer Beliebtheit und ist in den meisten Ländern zur Methode der Wahl bei der Preisermittlung geworden. Ein wesentlicher Unterschied zum Festpreisverfahren ist, dass der Emissionspreis im Bookbuilding-Verfahren vom Markt festgelegt wird. Das Verfahren zeichnet sich durch seinen Phasencharakter aus, bei dem die Preisfestlegung in einem mehrstufigen Prozess erfolgt. Je nach Auffassung wird in der Literatur meist zwischen zwei und fünf Phasen unterschieden, in denen der Preis der Aktien bei diesem Verfahren ermittelt wird.
5. Schritt: Zuteilung und Zeichnung der Aktien
Wenn der Preis bzw. die Preisspanne der Aktien feststehen, kommt es schließlich zur öffentlichen Zeichnung der Aktie. Innerhalb eines festgelegten Zeitraums (der Zeichnungsfrist) äußern Anleger, wie viele Aktien sie kaufen wollen und – sofern der Preis im Vorfeld nicht bereits festgelegt wurde – zu welchem Preis innerhalb der Preisspanne sie diese Anzahl an Aktien erwerben möchten. Es ist dabei die Aufgabe der Konsortialbanken, diese Kauforders entgegenzunehmen.
Nach Ablauf der Zeichnungsfrist (Closing) kommt es zur Preisfestsetzung und zur Zuteilung der Aktien. Im Bookbuilding-Verfahren werden dabei jene Gebote, die unter dem festgesetzten Preis liegen, von der Aktienvergabe ausgeschlossen. Die Emittenten können die Aktien grundsätzlich frei verteilen. Üblicherweise halten sich die Emittenten jedoch an die Empfehlungen der Emissionsbank. Institutionelle Investoren, die im Rahmen der Marketing-Phase bereit waren, ihre Bewertungen und Preisvorstellungen offenzulegen, werden bei der Vergabe jedoch häufig bevorzugt und erhalten unter Umständen die volle Zuteilung ihrer Zeichnungsaufträge.
Am Tag des Börsengangs werden die Aktien des Unternehmens nun erstmals an der Börse gehandelt. Es kommt zur Erstnotiz, dem ersten amtlich festgelegten Kurs der Aktien.
Was passiert nach dem Börsengang?
Nach dem erfolgten Börsengang kann sich das Unternehmen über das neue Kapital freuen, das von den Investoren durch die Aktienkäufe zur Verfügung gestellt wurde. Im Gegenzug sind die Aktionäre nun sowohl an den Gewinnen, als auch an den Verlusten des Unternehmens beteiligt.
Für das neu an der Börse notierte Unternehmen bedeutet der Börsengang allerdings nicht nur neues Kapital und Vorteile, sondern auch einen höheren finanziellen Aufwand und andere mögliche Nachteile. Die höheren Kosten entstehen dabei nicht nur im Zuge des beschriebenen Prozesses des Börsengangs selbst. Auch nach dem Börsengang hat das börsennotierte Unternehmen höhere Kosten zu tragen, etwa durch das Abhalten von Hauptversammlungen, durch die Gebühren an der Börse und durch die Einhaltung von Transparenzvorschriften. Das Unternehmen muss regulatorischen Anforderungen gerecht werden und steht durch die größere öffentliche Aufmerksamkeit zudem auch beim Erreichen von finanziellen Zielen unter größerem Druck als zuvor.