Anlagestrategien: Fundamentalanalyse vs. quantitative Auswahl
Fundamentalanalyse im Überblick:
Herkunft: Fundamentalanalyse und quantitative Analyse sind Ansätze der Aktienbewertung
Fundamentalanalyse: Investitionsentscheidungen basierend auf reellen Unternehmenswert
Quantitative Analyse: Objektive Analyse des Aktienkurses anhand von Kennziffern
Vergleich: Anlagestrategien auf rationale Entscheidungen am Aktienmarkt. Kurzfristige Kursschwankungen bleiben außen vor
Gemeinsamkeit: Konsequente und langfristige Anlage als Basis für den Erfolg am Aktienmarkt
Definition: Die Fundamentalanalyse als Anlagestrategie
Die Fundamentalanalyse versucht, den fairen Wert oder angemessenen Preis von Wertpapieren (innerer Wert) zu ermitteln. Doch wie will die Fundamentalanalyse den fairen Wert eines Wertpapiers ermitteln?
Im Gegensatz zur technischen Chartanalyse basiert die Fundamentalanalyse nicht auf einer Betrachtung der Börsenkurse, sondern auf betriebswirtschaftlichen Daten und dem ökonomischen Umfeld eines Unternehmens, den sogenannten Fundamentaldaten. Die drei typischen Bereiche einer Fundamentalanalyse sind die Globalanalyse, die Branchenanalyse und die Unternehmensanalyse.
Was ist eine Globalanalyse?
Im ersten Schritt der Fundamentalanalyse werden anhand der Globalanalyse die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des zu analysierenden Unternehmens betrachtet. Alle Faktoren, die einen Einfluss auf die Wirtschaftstätigkeit und die konjunkturelle Entwicklung des Unternehmens haben können, fließen mit in die Analyse.
Ein Beispiel hierfür ist die Zinspolitik der Zentralbanken. Bei einer Niedrigzinspolitik stellen die Aktienmärkte einen Zufluchtsort für Anleger dar. Der reale Kaufkraftverlust soll durch bessere Renditen der Aktien ausgeglichen werden. In solchen Zeiten sind Aktien attraktiver für Investoren.
Gleiches gilt für Zeiten der expansiven Geldpolitik: Wenn die Zentralbanken die Geldmenge erhöhen, wirkt sich die erhöhte Liquidität positiv auf die Geschäfte der Unternehmen aus. Anleger greifen verstärkt nach Aktien und die Unternehmen haben mehr Geld zum Investieren.
Die Globalanalyse betrachtet sowohl nationale als auch internationale Faktoren. Bei stark exportorientierten Unternehmen beispielsweise gilt die Wechselkursnotierung als wichtige Kennzahl bei der Analyse der Wirtschaftstätigkeit des Unternehmens. Auch die Preise an den Rohstoffmärkten und das Inflationsniveau sind wichtige Einflussfaktoren.
Branchenanalyse – hierauf kommt es an
Im Anschluss an die Globalanalyse wird die Branchenanalyse durchgeführt. Hier spielen strukturelle Faktoren und der Abhängigkeitsgrad des Unternehmens von der Konjunktur eine wichtige Rolle. Um die Branchenstruktur und die Dynamik bewerten zu können, müssen viele Faktoren berücksichtigt werden: Wer sind die Wettbewerber? Wie sind die Marktanteile verteilt? Gibt es Produktnischen, auf die man sich spezialisieren kann? Handelt es sich um eine zyklische oder antizyklische Konjunktur?
Neben konjunkturellen Einflüssen hat die Politik Einflüsse auf die Geschäftstätigkeit von Unternehmen. Es gilt festzustellen, welchen Einfluss eventuelle (zukünftige) politische Entscheidungen auf die Branche haben. Manche Unternehmen werden von Steuergesetzen stark beeinflusst, während bei anderen (z. B. Energiesektor) Entscheidungen in Umweltauflagen eine wichtige Rolle spielen.
Weitere Indikatoren zur Branchenanalyse sind die durchschnittlichen Lagerbestände und die Auftragseingänge. Für Prognosen werden zudem der GfK-Konsumklimaindex verwendet.
Qualitative Unternehmensanalyse im Fokus
Die Qualitative Unternehmensanalyse ist der dritte Teil der Fundamentalanalyse. Es werden subjektive Kriterien untersucht, welche quantitativ schwer zu messen sind. Hier schaut man, wie nachhaltig das Geschäftsmodell des Unternehmens ist. Genauer genommen betrachtet man hier die Differenzierung der Produktpalette, die Effizienz der Produktionsverfahren und den Innovationsgrad des Unternehmens. Zuletzt wird die Fähigkeit des Managements in Augenschein genommen.
Bei der Beurteilung der Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens spielen diese Faktoren eine wichtige Rolle. Die professionelle Beurteilung dieser subjektiven Indikatoren verlangt viel Erfahrung und gute Branchenkenntnisse der Analysten.
Die Fundamentalanalyse und der Aktienkurs
Der fundamentale Investor versucht sich also einen Überblick über die Zukunftsaussichten des Unternehmens zu schaffen, um dann anhand dessen über Kauf oder Verkauf der Aktie zu entscheiden. Er redet mit Vorständen, sieht sich Wachstumsraten, Marktanteile und andere Fakten an. Am Ende dieser Arbeit steht oftmals eine Excel-Tabelle, in der Gewinn-Schätzungen für die nächsten Jahre gemacht werden. Am Schluss werden die Gewinn-Schätzungen diskontiert (abgezinst) auf den aktuellen Tag und es entsteht ein fairer Wert für die Aktie bzw. das Unternehmen.
Die Fundamentalanalyse beruht auf der These, dass sich der Börsenkurs einer Aktie früher oder später an den inneren Wert anpasst. Liegt dieser faire Wert über dem aktuellen Bewertungs-Niveau, lohnt es sich aus Sicht der Fundamental-Analysten in die Aktie einzusteigen. Dies ist ein deutliches Kaufsignal, denn das Unternehmen gilt als unterbewertet. Andersherum gilt ein Unternehmen, dessen Aktienkurs über dem inneren Wert liegt, als überwertet. Bei solchen Aktien werden Verkaufsempfehlungen ausgesprochen.
Im Rahmen der Fundamentalanalyse spielt es keine Rolle, ob der Kurs einer Aktie zuletzt gestiegen oder gefallen ist. Wichtig ist, dass er unter dem zuvor bestimmten fairen Wert der Aktie liegt.
Definition: Quantitative Auswahl bzw. quantitative Analyse
Der Begriff quantitatives Management bedeutet die Anwendung von mathematischen, rationalen Methoden bei der Entscheidung über die Zusammensetzung eines Aktien-Portfolios oder eines Investmentfonds. Im Gegensatz zur Fundamentalanalyse erfolgt hier eine objektivere Bewertung des Unternehmens anhand der Zahlen aus der Bilanz. Qualitative und subjektive Entscheidungen sollen somit aus dem Prozess der Anlage-Entscheidung ausgeklammert werden. Der Vergleich zu den Wettbewerbern soll quantitativ erfolgen. Hierzu bedient man sich zahlreicher Kennzahlen.
Statt die Zukunft vorhersagen zu wollen, versucht die quantitative Analyse, die aktuelle Realität des Marktes abzubilden und in die nach den Regeln eines bestimmten quantitativen Modells attraktivsten Aktien zu investieren. Die Regeln des Modells nehmen Bezug auf die tagesaktuelle Situation oder die Vergangenheit – nicht auf die Zukunft. Das ist der entscheidende Unterschied zum fundamentalen Ansatz.
Im Folgenden sollen die wichtigsten Kennzahlen der Quantitativen Analyse aufgezeigt werden:
Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV)
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV; englisch: price-earnings-ratio) ist die bekannteste unter den Kennzahlen der Aktienanalyse:
KGV = (aktueller Aktienkurs) / (Gewinn pro Aktie)
Der Aktienkurs wird ins Verhältnis zum Gewinn pro Aktie gesetzt.
Der berechnete KGV wird mit dem aktuellen durchschnittlichen Branchen-KGV verglichen. Dabei gilt ein niedriges KGV als positives, da es für ein unterbewertetes Unternehmen steht. Dann ist der Marktwert pro Unternehmensanteil (Aktienkurs) niedriger als der Gewinn pro Anteil. Wenn das Unternehmen Verluste macht, ist der KGV keine aussagekräftige Kennzahl mehr, da sich dann ein negatives KGV ergibt.
Kurs-Cashflow-Verhältnis (KCV)
Das Kurs-Cashflow-Verhältnis (KCV; englisch: price-cashflow-ratio) gibt das Verhältnis des Aktienkurses zum Cashflow pro Aktie an.
Da der Cashflow den Umsatzüberschuss des Unternehmens aus dem operativen Geschäft darstellt, wird diese Kennzahl als Indikator für die Ertragskraft verwendet.
Im Gegensatz zum KGV lässt sich der KCV nicht so leicht manipulieren, da es hier keine bilanziellen Spielräume wie bei der Gewinnermittlung gibt. Der Unternehmensgewinn kann aufgrund von Ermessenspielräumen bei der Bilanzierung von Abschreibungen und Rückstellungen von der Unternehmensführung leichter strategisch gesteuert werden. Beim Ermittlungsverfahren des Cashflows werden Abschreibungen und Rückstellungen hingegen nicht berücksichtigt.
Das KCV eignet sich auch besser im internationalen Vergleich. Aufgrund der unterschiedlichen nationalen Bilanzierungsrichtlinien lassen sich die Unternehmensgewinne im Gegensatz zum Cashflow weniger gut vergleichen. Ein weiterer Vorteil zum KGV liegt darin, dass der KCV auch beim Erwirtschaften von Verlusten verwendet werden kann. Ein im Branchenvergleich niedriges KCV wird bei der Bewertung einer Aktie als positiv bewertet.
Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV)
Das Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV; englisch: price-to-sales-ratio) ähnelt dem KCV. Hier wird aber nicht der Umsatzüberschuss aus dem operativen Geschäft, sondern der gesamte Umsatz ins Verhältnis mit dem Aktienkurs gesetzt.
Was die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens angeht, ist der KCV aussagekräftiger, da beim KCV die entstandenen Kosten berücksichtigt werden.
Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV)
Mit dem Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV; englisch: market-to-book ratio) wird der Aktienkurs ins Verhältnis mit dem Buchwert pro Aktie gesetzt. Die Kennziffer soll zeigen, ob ein Unternehmen unter oder über dem bilanziell ermittelten Buchwert notiert ist.
Der bilanzielle Buchwert ist die Summe der Vermögensgegenstände (Aktiva) abzüglich der ausstehenden Verbindlichkeiten und den immateriellen Vermögensgegenständen. Es spiegelt somit das auf die Anteilseigner entfallende Eigenkapital wider. Im Falle einer Liquidation des Unternehmens würde der Buchwert für die Anteilseigner übrig bleiben.
Um das KBV zu ermitteln, wird der Buchwert durch die Anzahl aller ausgegebenen Aktien geteilt.
Ein KBV größer Eins bedeutet, dass das Unternehmen am Markt höherbewertet ist als sein reiner Substanzwert. Gründe hierfür können eine starke Marke des Unternehmens und damit hohe immaterielle Vermögenswerte sein. Ein KBV größer Eins kann hohe erwartete Erträge in der Zukunft andeuten. Ein Analyst, der nach unterbewerteten Unternehmen Ausschau hält, wird auf einen KBV kleiner Eins achten.
Eigenkapitalquote
Die Eigenkapitalquote zeigt den Anteil des Eigenkapitals an der Bilanzsumme. Sie wird als wichtige Kennziffer für die Beurteilung der Krisenfestigkeit des Unternehmens verwendet. Eine niedrige Eigenkapitalquote deutet auf einen hohen Verschuldungsgrad des Unternehmens hin. Damit steigt die Gefahr, dass das Unternehmen eine Krise nicht überstehen könnte. Im schlimmsten Fall droht eine Insolvenz. Eine hohe Eigenkapitalquote steht für ein gutes Polster an Eigenmitteln, welche vor Verluste schützen kann.
Die komplette Finanzierung mit Eigenmitteln ist trotzdem nicht ratsam. Die Eigenkapitalrendite nimmt mit steigender Fremdkapitalquote zu, da die Fremdkapitalzinsen steuerlich absetzbar sind. Hier ergibt sich ein Trade-off zwischen Insolvenzrisiko und Steuerersparnis.
Dividendenrendite
Bei der Dividendenrendite wird die Dividende pro Aktie ins Verhältnis zum aktuellen Aktienkurs gesetzt. Es zeigt dem Anleger welche jährliche Rendite er bei gleichbleibendem Aktienkurs zu erwarten hat.
Man beachte bei dieser Kennzahl, dass die ausgeschüttete Dividende nicht zwangsläufig die Ertragskraft eines Unternehmens widerspiegelt. Manchmal schütten Unternehmen Dividenden trotz hoher Gewinne nicht aus oder es werden trotz Verluste Dividenden ausgeschüttet. Das liegt daran, dass Unternehmen oft unabhängig von der Gewinnsituation eine stabile Dividendenpolitik verfolgen. Denn gleichbleibende Dividenden sollen die Anleger von der Stabilität und der guten Ertragslage des Unternehmens überzeugen.
Es gilt zu beachten, dass diese Kennzahlen alle Momentaufnahmen der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens darstellen. Sie sollten niemals isoliert, sondern immer im Zusammenhang betrachtet werden.
Fundamentalanalyse versus quantitative Analyse: Gemeinsamkeiten
Die wesentliche Gemeinsamkeit ist, dass es bei beiden Ansätzen keine Rolle spielt, ob der Kurs einer Aktie sinkt oder fällt. Dem „fundamentalen Investor“ ist wichtig, dass der aktuelle Kurs unter dem von ihm berechneten fairen Wert der Aktie liegt. Für den “quantitativen Investor” ist die Hauptsache, dass die Aktie nach den Regeln seines quantitativen Modells in seinem Portfolio passt.
Berühmtester Vertreter der Fundamentalanalyse: Warren Buffet
Die Fundamentalanalyse ist wichtigster Bestandteil des Value Investing. Denn beim Value Investing wird jede Investitionsentscheidung durch die Ermittlung des inneren (fairen) Wertes des Unternehmens getätigt. Der innere Wert erlaubt Aussagen über die Qualität des Unternehmens. Es bestimmt zugleich den potenziellen Kaufkurs, der für den Value Investor infrage kommt, damit er ein “Schnäppchen” macht.
Berühmtester Vertreter des Value Investings ist Warren Buffet, der mit dieser Anlagestrategie zum erfolgreichsten Investor des 20. Jahrhunderts wurde. Mit einem Vermögen von aktuell (Mai 2019) 83 Mrd. $ ist er der drittreichste Mensch auf der Welt. Die Aktie seines Unternehmens Berkshire Hathaway ist die teuerste Aktie der Welt.
Geschafft hat er all das durch das Value Investing. Emotionen schaltet er strikt ab. Das Nachfolgen von Hypes ist verboten. Allein der Vergleich des inneren Wertes mit dem Aktienkurs eines Unternehmens bilden die Grundlage all seiner Entscheidungen. Er selber beschreibt das Geheimnis seines Erfolges mit den einfachen Worten: „Etwas unter Wert kaufen und dann lange genug halten“.
Hier zielt er auf das Durchhaltevermögen eines Anlegers. Wer mit Aktien schnell reich werden möchte, wird laut Warren Buffet versagen. Eine Aktie solle man kaufen, wenn man das Geschäft des Unternehmens versteht, die Aktie tatsächlich unterbewertet ist und man bereit ist, die Aktie mindestens 10 Jahre und besser noch, für immer zu halten. Er hat das in vielen Fällen so gemacht. Warum sollte man auch Aktien eines soliden Unternehmens wiederverkaufen?
In jedem Fall zahlt sich die Ausdauer am Ende aus: Die Grundannahme des Value Investings besagt, dass der Aktienkurs früher oder später sich seinem inneren, dem wahren Wert, annähern wird. Die Kurse an den Börsen spiegeln nicht unbedingt den inneren Wert des Unternehmens wider. Kurse werden oft durch Emotionen getrieben. Dennoch muss sich früher oder später der Kurs hin zum wahren Wert bewegen. Das Platzen von Blasen beispielsweise zeigt, dass sich langfristig die Rationalität durchsetzt.
Beim Value Investing bedienen sich die Schnäppchenjäger an der Irrationalität des Aktienmarktes, um unterbewertete Aktien ausfindig zu machen.
Fazit: Konsequenz ist die beste Anlagestrategie
Egal welchen der beiden Ansätze Sie folgen wollen: Das wichtigste ist, dass Sie versuchen, Ihre Emotionen so weit wie möglich (am besten komplett) auszublenden. Seien Sie konsequent in der Umsetzung Ihrer Strategie und legen Sie sich keine „Lieblingsaktie” zu. Soll heißen: Bewerten Sie alle Aktien bzw. Unternehmen gleich. Wenn Sie dies tun, ist ein wesentlicher Grundstein für Ihren künftigen Börsen-Erfolg gelegt.