Umlageverfahren – Traditionsmodell in der Kritik
Wissenswertes zum Umlageverfahren
Definition: Finanzierungssystem für Sozialleistungen
In Deutschland: Eingesetzt für Rente; Gesetzliche Kranken-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung; Pflegeversicherung
Prinzip: Beiträge werden nicht angespart; sofortige Verteilung auf vorgesehene Leistungen
Generationenvertrag: Aktuelle Generation zahlt die Rentenbeiträge der vorherigen Generation
Herausforderung: Demografischer Wandel
Definition: Was ist das Umlageverfahren?
Das Umlageverfahren, häufig auch Umlagefinanzierung genannt, ist ein Finanzierungssystem für die gesetzlich vorgeschriebenen Unfall-, Kranken- und Rentenversicherungen. Dabei werden die von den Beitragszahlern einbezahlten Beiträge sofort für die vorgesehenen Leistungen ausgegeben.
Des Weiteren werden die Beiträge vom Arbeitsentgelt der Beitragszahler nicht langfristig gespart und zum Aufbau eines Kapitalstocks verwendet, sondern kurzfristig und bestimmungsgemäß verteilt. Umlageverfahren werden beispielsweise in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie in der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherung vom Gesetzgeber verwendet.
Welche Sozialleistungen werden mit dem Umlageverfahren finanziert?
In Deutschland wird das Umlageverfahren bei den Sozialversicherungen angewandt.
Sozialversicherungen in Deutschland:
- DRV-Rente (Deutsche Rentenversicherung)
- Gesetzliche Kranken-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung
- Pflegeversicherung
Aber auch in anderen Ländern gibt es das Umlageverfahren. Beispielsweise in den USA. Hier wird es bei der staatlichen Rentenversicherung „Social Security” und bei der staatlichen Krankenversicherung „Medicare“ angewandt. In anderen EU-Ländern findet das Verfahren ebenfalls Anwendung. In der Schweiz wird es in der ersten Säule des Drei-Säulen-Systems angewandt.
Rechtsgrundlage und Höhe der Nachhaltigkeitsrücklage
Damit bei auftretenden, höheren Ausgaben der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht kurzfristig angehoben werden muss, sind die Träger der Rentenversicherung angehalten, zusätzliche Mittel in der sogenannten Nachhaltigkeitsrücklage zur Verfügung zu halten.
Diese Rücklagen stellen also die finanziellen Reserven der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung dar. Die Mindestrücklage beträgt hierbei zwischen 20 % und 150 % der durchschnittlichen Ausgaben für einen Kalendermonat. In der Praxis können mit einer Rücklage saisonal bedingte Einkommensschwankungen ausgeglichen werden.
Was ist der Generationenvertrag beim Umlageverfahren?
Der Generationenvertrag ist kein juristisches Papier. Vielmehr beschreibt dieser einen gedachten Vertrag zwischen den Generationen. Im Zusammenhang mit der Rente bildet dieser die Basis für das Umlageverfahren.
Inhalt dieses Vertrages ist, dass die derzeitigen Beitragszahler durch ihre Beiträge die Rentenzahlungen der vorherigen Generation begleichen. Somit ist gewährleistet, dass die eine Generation die nächste stützt. Einfacher gesagt bezahlen die Jüngeren die Renten der Älteren.
Unterscheidung zum Kapitaldeckungsverfahren
Die grundlegende Idee des Kapitaldeckungsverfahrens ist, dass zukünftige Leistungen durch planmäßiges Sparen vorfinanziert werden. Das klingt erst einmal ähnlich zur Grundidee des Umlageverfahrens. Hierbei ist aber der große Unterschied, dass beim Kapitaldeckungsverfahren vom Einzelnen ausgegangen wird und nicht, wie beim Umlageverfahren, von mehreren Generationen in der Gesellschaft.
Ein bestimmter Beitrag wird also regelmäßig bei einer privaten Versicherungsgesellschaft gespart. Dadurch ist es dann später möglich auf eine bestimmte angesparte Summe zurückzugreifen. Diese kann dann auf einmal oder in Teilen als regelmäßige Rentenzahlung ausgezahlt werden. Beim Kapitaldeckungsverfahren zur Altersvorsorge profitiert der Einzahler nur von seinen eigenen Beiträgen.
Rentenversicherung: Wie funktioniert das Umlageverfahren bei der Rente?
Durch die industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts wurde die neue Klasse der „Arbeiter“ geschaffen. Weder waren diese Arbeiter sozial abgesichert, noch waren ihre Familien geschützt. Sie waren daher bei Invalidität oder im Alter oft von großer Not betroffen. Eine allumfassende Vorsorge gegen Wechselfälle des Lebens gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Nach zweijähriger intensiver öffentlicher Diskussion änderte sich dies am 22. Juni 1889. Zu diesem Datum wurde unter direktem Einwirken von Reichskanzler Otto von Bismarck vom Reichstag beschlossen, das Gesetz über die Invaliditäts- und Altersversicherung zu verabschieden.
Wenig bekannt ist, dass die gesetzliche Rentenversicherung ursprünglich auf einem Kapitaldeckungsverfahren basierte. Die endgültige Umstellung auf ein reines Umlageverfahren erfolgte erst im Jahr 1969.
Bei der gesetzlichen Rentenversicherung werden Beiträge der rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer und Beiträge der Arbeitgeber sowie Zuschüssen aus dem Staatshaushalt zur Finanzierung genutzt. Hierbei bezahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils die Hälfte des aktuellen Betragssatzes zur Rentenversicherung ein. Dieser hat eine Höhe von 18,6 % des Brutto-Arbeitsentgelts.
Mit den eingezahlten Beträgen werden dann die Renten der Versicherten beglichen. Im Jahre 2017 wurden so fast 300 Milliarden Euro an Renten bezahlt. Tendenz: steigend.
Was sind Anwartschaften in der Rentenversicherung?
Eine Anwartschaft bezeichnet die rechtlich abgesicherte und einheitlich nicht-zurückziehbare Aussicht auf den Erwerb eines Rechts. Hierbei sind die Voraussetzungen häufig noch nicht voll oder nur teilweise gegeben.
Im Falle der Rentenversicherung ist eine Anwartschaft der Erwerb von Rechten, die auf Beitragszahlungen zurückzuführen sind. Beitragszahler erwerben also mit ihren monatlichen Zahlungen Anwartschaften. Nach einer Mindestversicherungszeit von fünf Jahren können Beitragszahler Leistungen anmelden, die nach dieser kurzen Zeit aber recht gering ausfallen dürften.
Beitragsberechnung der gesetzlichen Rente
Der Beitrag von pflichtversicherten Rentnern wird ähnlich wie der Krankenkassenbeitrag für Arbeitnehmer berechnet. Es gilt der allgemeine Beitragssatz von 14,6 %, welchen sich der gesetzlich versicherte Rentner und der Rentenversicherungsträger teilen.
Der Rentner zahlt, wie ein Arbeitnehmer, 7,3 % während der Rentenversicherungsträger die übrigen 7,3 % übernehmen muss. Dazu kommt der Zusatzbeitrag der Krankenkassen, der ebenfalls zwischen Rentner und Rentenversicherungsträger geteilt wird.
Renteninformation: Inhalt des Rentenbescheids
Der Rentenbescheid informiert in erster Linie darüber, wie viel Rente ein Rentner oder eine Rentnerin erhält. Daneben gibt dieser aber auch Auskünfte über weitere Informationen:
Informationen im Rentenbescheid:
- Die Rentenart (beispielsweise Altersrente, Erwerbsminderungsrente oder Hinterbliebenenrente)
- Rentenbeginn
- Dauer der Rente
Grundsätzlich wird mit dem Rentenbescheid der Rechtsweg eröffnet. Dabei ist dieser an bestimmte Formen gebunden und muss dem Adressaten auch tatsächlich zugehen, damit die Wirksamkeit garantiert wird. Antragsteller, Versicherte oder auch Rentner können sich im Falle einer nachteiligen Entscheidung der deutschen Rentenversicherung mit einem Widerspruch wehren.
Kritik an der Rentenversicherung: Demografie als Herausforderung
Eines der am meisten diskutierten Zukunftsthemen ist wohl der demografische Wandel. Auch im Zusammenhang mit der Rente gibt es hier viele Kritiker. Diese behaupten, dass es durch die veränderte Bevölkerungspyramide gerade bei den Systemen der Kranken-, Renten- und Unfallversicherung zu enormen Schwierigkeiten kommen wird.
Fakt ist, dass das das Umlageverfahren der Rente fortlaufend in noch größerem Maße durch Steuermittel, sowie Beitragserhöhungen, gestützt werden muss. Schätzungen zufolge verringert sich bis 2050 die Bevölkerungszahl in Deutschland um bis zu 7 Millionen Menschen.
Gleichzeitig werden wir alle älter, was zur Folge hat, dass es weniger Personen gibt, die als Beitragszahler infrage kommen. Dabei beziehen gleichzeitig immer mehr Rentner über eine immer länger werdende Dauer Leistungen. Eine gleichhohe und auskömmliche Rente für die einzahlenden Generationen kann aus diesen Gründen wohl nicht ohne Weiteres sichergestellt werden.
Umlageverfahren in der gesetzlichen Krankenversicherung
Bei der gesetzlichen Krankenversicherung werden die von den Versicherungspflichtigen und Arbeitgebern geleisteten Beiträge ebenfalls nicht angespart. Diese werden stattdessen sofort in die gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen für die Versicherten umgelegt. Bei zu hohen Bemessungen der Beiträge werden diese in die Rücklagen der Versicherten umgelegt und gegebenenfalls an diese zurückgezahlt.
Wie funktioniert das Umlageverfahren der gKV?
Im Umlageverfahren der gesetzlichen Krankversicherung (gKV) werden Rücklagen insoweit gebildet, als damit vor allem Einnahmenschwankungen im Jahresverlauf geglättet werden können. Somit wird eine kurzfristige Beitragssatzanpassungen verhindert. Die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds beträgt hierbei mindestens 20 % der durchschnittlichen Monatsausgaben, die Versicherer informieren über diese Zahlen regelmäßig.
Was ist das Solidaritätsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung?
Das grundlegende Prinzip der Sozialversicherung wird als Solidaritätsprinzip bezeichnet. Es besagt, dass ein Bürger nicht alleine für sich verantwortlich ist, sondern auf Mitglieder einer definierten Solidargemeinschaft zurückgreifen kann und gegenseitig Hilfe und Unterstützung erbracht wird. Das Solidaritätsprinzip stellt des Weiteren die strukturelle Basis der gesetzlichen Krankenversicherung dar. Es äußert sich in der Praxis durch unterschiedlich hohe Beiträge, die in Abhängigkeit vom Gehalt stehen.
Die Umlageverfahren U1 & U2
- Die Umlage U1 bezeichnet in Deutschland einen finanziellen Pflichtbeitrag bestimmter Arbeitgeber zur solidarischen Finanzierung eines Ausgleichs für die Arbeitgeberaufwendungen im Falle der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall an Arbeitnehmer.
- Bei der Umlage U2 handelt es sich um ein Verfahren für Arbeitgeber, finanzielle Belastungen aus dem Mutterschutz auszugleichen. Dieses Umlageverfahren gilt für alle Arbeitgeber. Der Arbeitgeber zahlt einen aktuell geltenden Umlagesatz und bekommt 100 % der geleisteten Aufwendungen wieder.
Umlageverfahren in der gesetzlichen Unfallversicherung
Das Prozedere ist hier ähnlich wie bei der gesetzlichen Krankenversicherung. Auch bei der gesetzlichen Unfallversicherung werden die geleisteten Beiträge von Versicherungspflichtigen und Arbeitgebern nicht angespart. Im Folgenden werden jeweils die Geschichte der Unfallversicherung und die heutigen Beiträge beleuchtet.
Historische Entwicklung der Unfallversicherung
Das bereits im Jahre 1883 eingeführte Krankenversicherungsgesetz für die Arbeiter war zusammen mit dem Unfallversicherungsgesetz von 1884 die Grundlage der gesetzlichen Sozialversicherung für alle Arbeiter ab dem 16. Lebensjahr. Auch Angestellte mit einem Jahreseinkommen bis zu 2.000 Mark waren mitinbegriffen.
Eine der Gründe dafür war Reichskanzler Otto von Bismarck. Dieser war davon überzeugt, dass nur eine gut organisierte Unfallversicherung die richtige Lösung für die vorherrschenden sozialen Probleme der Arbeiter war. Zusätzlich wurde er aber auch von der Sorge vor einer neuen Revolution von unzufriedenen Arbeitern angetrieben. Bismarcks Vorstellung war, dass der Betroffene unabhängig von Verschulden oder Nichtverschulden eine Entschädigung erhalten sollte.
Die Beiträge der gesetzlichen Unfallversicherung
Der Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung ist, wie auch bei den anderen Zweigen der Sozialversicherung, von den Löhnen und Gehältern der Beschäftigten abhängig. Dabei bezahlen Branchen mit höherer Unfallgefahr aus naheliegenden Gründen, im Verhältnis gesehen, mehr als Branchen mit einem geringeren Risiko. Trotzdem findet auch hier das Umlageverfahren Anwendung.
Vor- & Nachteile des Umlageverfahrens als Rentensystem
Das Umlageverfahren bietet neben einigen Vorteilen auch Nachteile und Herausforderungen. Der erste wichtige Vorteil ist der Fakt, dass das Umlageverfahren im Bedarfsfall schnell eingeführt werden kann. Im Gegensatz zum Kapitaldeckungsverfahren braucht es keine Anlaufzeit. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Umlageverfahren nicht von den Aufs und Abs an den Kapitalmärkten abhängig ist. Durch das Verfahren kann weiterhin, sofern es politisch bzw. gesellschaftlich beabsichtigt wird, recht einfach eine soziale Umverteilung geschaffen werden.
Das Umlageverfahren ist von vielen Faktoren abhängig. Die Demografie und Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland sind nur zwei dieser Faktoren. Arbeitslosigkeit und insbesondere der demografische Wandel in Deutschland und anderen Industrieländern bilden hier die schwerwiegendste Herausforderung für das Umlageverfahren.
Des Weiteren rücken durch die geburtenschwachen Jahrgänge nicht genügend junge Beitragszahler nach, weshalb es zwangsläufig zu Schwierigkeiten des Umlageverfahrens kommen wird. Außerdem kommt die höhere Lebenserwartung dazu, was dem System in Zukunft wohl zusätzliche Probleme verschafft.
Fazit
In Deutschland stellt das Umlageverfahren die wichtigste Säule der Altersversorgung und des Rentensysytems dar. Als Solidarsystem sichert es mit einheitlichen Beitragssätzen eine Rente für alle zu gleichen Bedingungen. Doch ob und wie lange dies in Zukunft noch möglich ist, sei dahingestellt. Bereits jetzt steigt die Anzahl der älteren Menschen stetig. Menschen werden immer älter und beziehen immer länger eine Rente, für die die junge Generation sorgen muss.
Ob diese Beitragslast noch lange unter diesen Voraussetzungen getragen werden kann, wird sich zeigen. Jedenfalls finden die Vorteile des Kapitaldeckungsverfahrens immer mehr Anhänger. Dieses ist unter anderem nämlich unabhängig von der Demografie und verspricht höhere Erträge und Renditen. Ein Systemwechsel wird demzufolge immer häufiger debattiert.