Warum der Fiskus für defekte Autoteile Mehrwertsteuer verlangt
Dass es keine Regel ohne Ausnahmen gibt, zeigt sich auch bei der Umsatzsteuer. Die Regel ist, dass auf Rechnungen für Dienstleistungen und Waren 19 Prozent Umsatzsteuer erhoben wird.
Bekannte Ausnahme ist der reduzierte Satz von 7 Prozent etwa auf Lebensmittel. Nahezu unbekannt ist indes die Altteile-Umsatzsteuer, bei der auf die reguläre Umsatzsteuer noch 10 Prozent aufgeschlagen werden.
Altteile-Umsatzsteuer im KfZ-Handel
Diese Altteile-Umsatzsteuer findet sich auf Rechnungen von Autoteilehändlern oder Werkstätten, die alte gegen neue Fahrzeugteile tauschen. Gerade in der KfZ-Wirtschaft ist es üblich, defekte Motoren, Vergaser oder Benzinpumpen in Zahlung zu nehmen, wenn sie nicht nur Schrott wert sind.
Als Kunde zahlt man dann noch die Differenz zum Preis fürs neue Teil. Wer sich an den Preisschildern im Autoteilegeschäft, beim Onlinehändler oder im Autohaus orientiert, mag sich nun wundern, wenn er insgesamt mehr bezahlt. Grund ist eben die zusätzliche Altteile-Umsatzsteuer, mit der die Mehrwertsteuer auf insgesamt 20,9 Prozent steigt.
Noch verwirrender ist für viele die Tatsache, dass diese Extra-Umsatzsteuer darauf erhoben wird, dass sie ihren kaputten Turbolader oder Motor dem Händler überlassen. Berechnen doch Privatleute in der Regel weder Umsatzsteuern noch rechnen sie diese mit dem Finanzamt ab.
Tauschgeschäft mit Baraufgabe
Doch bei derartigen Tauschgeschäften zieht das Finanzamt auch Private in die gewerbliche Grundleistung der Händler und Werkstätten mit ein. Die berechnen ihre Mehrwertsteuer und ziehen diejenige ab, die sie bei eigenen Einkäufen zahlen. Und um einen Einkauf handelt es sich, wenn sie wertvolle Altteile entgegennehmen.
Wird beispielsweise ein neuer Motor für 2.500 Euro eingebaut und ein alter für 500 Euro in Zahlung genommen, begleicht der Kunde die restlichen 2.000 Euro in bar. Dieser Vorgang nennt sich Tauschgeschäft mit Baraufgabe.
Theoretisch müsste die Werkstatt das ganze in zwei Teilgeschäfte aufspalten. Sie würde zunächst dem Kunden eine Rechnung stellen und dann eine Gutschrift für seine Gegenleistung, und zwar jedes Mal inklusive Mehrwertsteuer. Doch kein Kunde durchläuft nur wegen dieser Rechnung beim Finanzamt ein Anmeldeverfahren zur Vorsteuerabrechnung. Der Staat wiederum hat keine Lust, der von Privatleuten kassierten Mehrwertsteuer hinterherzulaufen, die er sich eigens für Altteile mit Restwert ausgedacht hat.
Rechnung inklusive Gutschrift mit 10 Prozent Aufschlag
Deshalb wurde für solche Fälle ein Verfahren entwickelt, bei dem der Händler die Umsatzsteuer für den Kunden einzieht und dann abführt. Weil der Wert von Altteilen nur schwer ermittelbar ist, wird der Einfachheit halber ein Durchschnittswert von 10% des Bruttoaustauschwerts aufgeschlagen: die Altteile-Umsatzsteuer.
Sie bemisst sich nach der Baraufgabe und dem fiktiven Wert des Altteils. Im oben genannten Beispiel wären das 10 Prozent von 2.000 Euro Barzahlung plus 500 Euro für den alten Motor, also 2.500 Euro.
Die entsprechende Rechnung würde Folgendes beinhalten: zunächst die Barzahlung über 2.000 Euro plus 19 Prozent Mehrwertsteuer (380 Euro) für die Lieferung des neuen Motors.
Dann kommt die Mehrwertsteuer auf die 10 Prozent der Gegenleistung des Kunden über 2.500 Euro zum Ansatz: 19 Prozent von 250 Euro ergeben 47,50 Euro. Dieser Posten wird auf den obigen Bruttobetrag über 2.380 Euro aufgeschlagen. Der Kunde zahlt damit insgesamt 2.427,50 Euro.
Doppelbesteuerung für Private
Dieses Vorgehen wird theoretisch nur bei Privatkunden angewendet. Im Alltag jedoch erhalten auch vorsteuerabzugsberechtigte gewerbliche Kunden meist dieselbe Art von Rechnung – ebenso KfZ- Versicherungen. Für ihre Umsatzsteuererklärung müssen sie den 10 Prozent Anteil herausnehmen, um die Vorsteueranteile korrekt zuzuordnen.
Derartige Austauschgeschäfte im KfZ-Handel sind für die Finanzbehörden ein einträglicher Sonderfall. Ärgerlich ist aus Sicht von Privatkunden, dass sie Umsatzsteuer sowohl auf die neuen als auch auf die eigenen defekten Teile zahlen, die sie zuvor bereits mit voller Mehrwertsteuer bezahlt haben. Zudem werden sie dann instand gesetzt und erneut verkauft – selbstverständlich wieder plus Mehrwertsteuer.
Und damit die Altteile-Mehrwertsteuer nicht kleingerechnet wird, müssen die 10 Prozent Extra stets vor irgendwelchen Rabatten und Nachlässen angesetzt werden.