Sozialklausel: In 8 Schritten Kündigungsrecht des Mieters prüfen
Selbst wenn Ihre ordentliche Kündigung zu 100% rechtmäßig ist, kann es Ihnen passieren, dass das Mietverhältnis nicht wie beabsichtigt endet. Denn in manchen Fällen gibt das Gesetz Mietern das Recht, einer Kündigung zu widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses zu verlangen. Dies geschieht vor allem bei Eigenbedarfskündigungen.
In der Praxis erweisen sich die meisten Widersprüche der Mieter jedoch als unberechtigt. Nicht selten widersprechen Mieter einer Kündigung. Ihr Interesse besteht aber darin, nach Ablauf der Kündigungsfrist wieder über die Wohnung verfügen zu können, etwa weil Sie Eigenbedarf haben. Daher sollten Sie jeden Widerspruch genau prüfen. Meistens mangelt es schon an den formalen Voraussetzungen eines wirksamen Widerspruchs.
1. Schritt: Ordentliche Kündigung?
Das Recht zum Widerspruch hat ein Mieter nur, wenn Sie ihm ordentlich gekündigt haben, zum Beispiel wegen Eigenbedarfs oder wegen Störung der angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks. Haben Sie Ihrem Mieter dagegen fristlos gekündigt, darf er der Kündigung nicht widersprechen (§ 574 Abs. 1 S. 2 BGB).
Dies macht Sinn: Nur wer sich selbst vertragsgerecht verhält, verdient auch sozialen Schutz. Allerdings: Auch wenn ein Zeitmietvertrag endet, darf der Mieter hiergegen die Sozialklausel einwenden (§ 575a Abs. 2 BGB) – dies wissen aber sogar viele Anwälte nicht.
2. Schritt: Ausschluss der Sozialklausel?
Selbst wenn Sie Ihrem Mieter ordentlich gekündigt haben, darf er sich in den folgenden Fällen dennoch nicht auf die Sozialklausel berufen:
- Sie haben vermieteten Büro- oder Gewerberaum gekündigt. Auf die Sozialklausel dürfen sich nur Wohnraummieter berufen.
- Sie hatten die Wohnung nur zu einem vorübergehenden Gebrauch vermietet. Beispiel: Für die Dauer Ihrer Kur haben Sie Ihre eigene Wohnung vermietet.
- Die gekündigten Wohnräume sind Teil der von Ihnen selbst bewohnten Wohnung, wobei Sie die Mieträume möbliert haben. Beispiel: Sie vermieten innerhalb Ihres Einfamilienhauses 2 möblierte Zimmer an einen Studenten.
- Ihre gekündigten Mieträume waren von einer anerkannten sozialen Einrichtung zu dem Zweck angemietet worden, sie Personen mit einem dringenden Wohnbedarf zu überlassen. Beispiel: Sie haben Ihre Wohnung an einen Träger der Wohlfahrtspflege vermietet, der sie seinerseits an Haftentlassene weitervermietet hat.
3. Schritt: Schriftform eingehalten?
Als Nächstes sollten Sie prüfen, ob Ihr Mieter Ihnen seinen Widerspruch schriftlich erklärt hat. Denn anderenfalls ist der Widerspruch unwirksam (§ 574b Abs. 1 BGB). Teilt er Ihnen etwa nur mündlich mit, dass die Kündigung für ihn oder seine Familie eine unzumutbare Härte sei, ist auch dieser Widerspruch für Sie ohne Bedeutung.
Dies gilt auch dann, wenn Ihr Mieter Ihnen seinen Widerspruch zwar schriftlich mitteilt, diesen jedoch nicht unterschreibt oder Ihnen die Unterschrift nicht im Original vorliegt, wie bei einem Fax. Sollte sich der Mieter durch einen Anwalt oder Mieterverein vertreten lassen, muss Ihnen eine Vollmacht im Original vorgelegt werden – anderenfalls dürfen (und sollten) Sie den Widerspruch unverzüglich zurückweisen gemäß § 174 BGB.
4. Schritt: Frist eingehalten?
Damit die vom Mieter angeführte Härte Ihre Kündigung zu Fall bringen kann, muss sie Ihnen rechtzeitig erklärt worden sein. Konkret: Bis spätestens 2 Monate vor Ablauf des Mietverhältnisses muss Ihr Mieter Ihnen gegenüber der Kündigung widersprochen haben (§ 574b Abs. 2 BGB).
Voraussetzung für diese Frist ist aber, dass Sie Ihren Mieter in der Kündigung sowohl auf sein Widerspruchsrecht als auch auf die von ihm einzuhaltende Widerspruchsfrist hingewiesen haben.
Beispiel: Sie kündigen Ihrem Mieter am 02.03.2015 das Mietverhältnis zum 31.05.2015. Dabei weisen Sie ihn auf sein Recht zum Widerspruch und die entsprechende Frist hin. Möchte Ihr Mieter der Kündigung widersprechen, muss er dies spätestens bis zum 31.03.2015 tun. Versäumt er diese Frist, ist jeder spätere Widerspruch ohne Bedeutung.
Ihr Vorteil: Hat Ihr Mieter widersprochen, ist er es, der beweisen muss, dass er dies rechtzeitig getan hat.
Zwar müssen Sie Ihren Mieter nicht auf sein Widerspruchsrecht hinzuweisen, dennoch sollten Sie dies tun. Denn ohne diesen Hinweis kann der Mieter noch in der mündlichen Verhandlung des Räumungsprozesses seinen Widerspruch erklären.
Wäre der Widerspruch berechtigt, würden Sie den Prozess verlieren und müssten für seine Kosten aufkommen. Es ist deshalb in Ihrem eigenen Interesse, auf die Sozialklausel im Kündigungsschreiben hinzuweisen. Nur so erfahren Sie frühzeitig, ob sich Ihr Mieter auf eine Härte berufen wird. Auf der absolut rechtssicheren Seite sind Sie mit der folgenden Musterformulierung:
„Sie können dieser Kündigung gemäß § 574 ff. BGB schriftlich bis zum ( …) widersprechen. Ihr Widerspruch hat aber nur Erfolg, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für Sie, Ihre Familie oder einen anderen Angehörigen Ihres Haushalts eine besondere Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung meiner berechtigten Interessen nicht zu rechtfertigen ist. Für den Fall, dass Sie Widerspruch erheben, bitte ich darum, mir die Gründe für den Widerspruch unverzüglich schriftlich mitzuteilen.“
TIPP: Gesetzlichen Hinweis geben
Die vorstehende Belehrung sollte in Ihrer ordentlichen Kündigung nie fehlen, da Sie damit die so wichtige Planungssicherheit erhalten.
5. Schritt: Begünstigter Personenkreis?
In der Praxis scheitert der Widerspruch mitunter daran, dass eine Härte zugunsten einer Person geltend gemacht wird, die das Gesetz gar nicht schützt. Denn die Härte der Kündigung muss für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts bestehen. Wirkt sich die Kündigung für andere Personen hart aus, kann dies einen Widerspruch nicht begründen.
Beispiel: Muss der Mieter wegen des Umzugs künftig mehr Zeit aufwenden, um seine kranke Mutter im nahe gelegenen Pflegeheim besuchen zu können, mag der hierdurch bedingte Rückgang der Besuche zwar für die Mutter eine Härte sein, jedoch ist der Mieter deswegen nicht schützenswert, weshalb er damit nicht seinen Widerspruch begründen kann.
6. Schritt: Härtegrund gegeben?
Sind die formalen Voraussetzungen des Widerspruchs gegeben, ist der Widerspruch aber nur rechtmäßig, wenn für eine begünstigte Person eine Härte gegeben ist. Dies hängt vom Einzelfall ab. Die Härte kann sich aus
- wirtschaftlichen,
- gesundheitlichen,
- familiären,
- persönlichen oder
- beruflichen
Gründen ergeben. Zudem kann für Ihren Mieter eine Härte darin bestehen, dass ihm die Anmietung einer gleichwertigen Ersatzwohnung zu zumutbaren Bedingungen nicht möglich ist (§ 574 Abs. 2 BGB).
Bitte beachten Sie: Im letzteren Fall muss sich Ihr Mieter um eine vergleichbare neue Wohnung nachgewiesenermaßen sehr bemüht haben. Hierzu gehört, dass er regelmäßig Wohnungsanzeigen liest, sich auf Angebote bewirbt und einen Makler eingeschaltet hat.
Ist es Ihrem Mieter nicht möglich, dies nachzuweisen, kann er sich auch nicht auf eine Härte berufen. Außerdem kann ein Mieter nicht erwarten, für eine neue Wohnung nicht mehr zahlen zu müssen als für die gekündigte.
Ihr Vorteil: Dass eine Härte gegeben ist, muss der Mieter vor Gericht genau begründen und auch beweisen (BGH, Urteil v. 16.10.13, Az. VIII ZR 57/13). Ein hohes Alter oder eine „emotionale Bindung“ zur Wohnung aufgrund langer Mietzeit begründet für sich keine Härte des Mieters (LG Hanau, Urteil v. 20.03.14, Az. 2 S 248/13).
7. Schritt: Richtige Interessenabwägung?
Damit der Widerspruch Ihres Mieters Erfolg hat, muss sein Interesse an der Fortsetzung des Mietverhältnisses Ihr Interesse an dessen Beendigung überwiegen. Wann dies der Fall ist, entscheiden die Gerichte für den konkreten Einzelfall, wie Sie anhand der Übersicht unten sehen können.
8. Schritt: Aufhebungsvertrag möglich?
Auch wenn der Widerspruch nach dem Vorstehenden berechtigt ist, muss es nicht zu einem Gerichtsverfahren kommen. Haben Sie Verständnis für die Belange Ihres Mieters, sollten Sie eine einvernehmliche Regelung mit ihm treffen. Vor allem dann, wenn sich die Verlängerung des Mietverhältnisses in einem überschaubaren Rahmen bewegt, können Sie sich die Kosten eines Prozesses sparen und den Räumungstermin dennoch für sich sicherstellen.