Fairtrade: Marketing-Maschinerie oder sinnvolle Alternative?
Der sogenannte faire Handel verfolgt das Ziel, ein Bewusstsein für kritischen Konsum in der Bevölkerung zu schaffen. Dabei geht es nicht nur um den Warenhandel, sondern ebenfalls darum, auf politischer Ebene für mehr Gerechtigkeit zu kämpfen. Die Produkte werden daher zu möglichst fairen Bedingungen hergestellt und importiert.
Dabei sollen vor allem die Produzenten und Produzentinnen im Mittelpunkt stehen, der Fokus wird also auf den Menschen hinter dem Produkt gelegt. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen eben dieser Menschen sollen durch den Fairen Handel verbessert und gesichert werden.
Wenngleich der Faire Handel auf den ersten Blick sehr löblich erscheinen mag, so zeigt sich aber bei näherem Hinsehen, wie komplex er wirklich ist und dass es derzeit durchaus noch Schwächen in der Umsetzung gibt.
1. Der Faire Handel als Milliardenmarkt
Allein im Jahr 2014 gaben die die Deutschen 1 Milliarde € für fair gehandelte Produkte aus. Dies entspricht einem Jahreswachstum von stolzen 31 % und damit verzeichnet Fairtrade in Deutschland ein kontinuierliches Wachstum im zweistelligen Bereich.
Wenngleich in den vergangenen Monaten deutlich wurde, dass es den Menschen in Deutschland immer wichtiger wird, zu einer kritischen Konsumentscheidung beizutragen, so steht Deutschland im internationalen Vergleich jedoch nur Mittelfeld. Im EU-Vergleich sind es vor allem die Schweiz und Großbritannien, die den Fairen Handel deutlich stärker betreiben.
Allein die Schweizer gaben 2014 mehr als viermal so viel für fair gehandelte Produkte aus als die deutschen Verbraucher. Nichtsdestotrotz ist klar, dass der faire Handel im Aufschwung ist, wobei einige Produkte ganz besonders beliebt sind: dazu zählt einerseits Kaffee, der nach Erdöl der meist gehandelte Rohstoff weltweit ist, aber auch Südfrüchte wie Ananas, Mango oder Banane gehören zu den Spitzenreitern.
Immerhin 80 % dieser fair gehandelten Produkte stammen aus kontrolliert biologischem Anbau. Fester Bestandteil des Fairen Handels sind außerdem Schokolade, Textilien, Blumen, Milch und Getreide sowie sonstige Lebensmittel.
a. Discounter und Supermärkte treiben das Wachstum voran
Erstmals war es das Unternehmen Lidl, welches 2006 unter dem eigenen Namen „Fairglobe“ faire Produkte im Discountformat anbot. Schon damals sorgte dies für scharfe Kritik und zwar aus gutem Grund.
Denn immerhin gilt fair gehandelte Ware grundsätzlich als etwas teurer, damit das zusätzliche Geld den Produzenten zugutekommen kann – Discounter boten die Waren jedoch sehr billig an, sodass es kaum mehr möglich schien, dass irgendjemand, außer dem Unternehmen, selbst davon profitierte. Gerade 100%ige Fair-Händler, wie beispielsweise die GEPA, betrachteten diese Form der Entwicklung sehr kritisch. Zudem erzeugten die Supermärkte und Discounter auf diese Weise einen enormen Preisdruck, durch den auch die Produzenten aus den Herkunftsländern litten.
b. Ist „fair“ das neue „bio“? – die Branche boomt
Bio-Produkte haben hierzulande einen sehr großen Aufschwung erlebt und sind mittlerweile nicht nur in speziellen Bio-Märkten erhältlich, sondern gehören zum Standard in vielen Geschäften. Dabei ist es egal, ob es sich um Pizza, Schnitzel oder Äpfel handelt – das Bio-Handelsvolumen ist in den letzten zehn Jahren um 127 % angestiegen, so eine Studie der Universität Bonn.
Längst sind es nicht mehr nur die Besserverdienenden, die Bioprodukte kaufen, denn Bio gilt mittlerweile nahezu als Lifestyle und es hat sich seitdem ein Markt für jedermann entwickelt. Seitdem Konsumenten in regelmäßigen Abständen von den miserablen Arbeitsbedingungen und Unfallkatastrophen in Herstellerländern erfahren, nehmen Fairtrade-Produkte diesen Platz jedoch immer stärker ein.
Viele Menschen sind daher mittlerweile bereit, in letzter Konsequenz auch gerne tiefer in die Tasche zu greifen, um faire Produktionsbedingungen zu gewährleisten – sicherlich auch deshalb, weil der faire Einkauf das Gewissen erleichtert, denn schließlich hat man „etwas Gutes“ getan.
c. Fairtrade-Städte – was steckt hinter dem Titel?
Mit Städten wie Dortmund, Neuss, Saarbrücken oder Marburg besitzt Deutschland mittlerweile erste sogenannte Fairtrade-Städte und viele weitere stehen ebenfalls kurz davor. Um den Titel zu erlangen, muss eine Kommune nachweislich bestimmte Kriterien erfüllen, welche das Engagement für den fairen Handel widerspiegeln.
Dazu zählen folgende Punkte: Ratsbeschluss, Steuerungsgruppe, Fairtrade-Produkte in den lokalen Einzelhandelsgeschäften, bei Floristen sowie in Cafés und Restaurants, und Produkte aus fairem Handel werden in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Vereinen und Kirchen verwendet.
Zudem werden zusätzliche Bildungsaktivitäten zum Thema fairer Handel umgesetzt und nicht zuletzt berichten die örtlichen Medien über alle Aktivitäten auf dem Weg zur Fairtrade-Stadt. Unter fairtrade-towns.de kann mehr über das Konzept in Erfahrung gebracht werden.
i. Fairtrade-Universities
Neben den Fairtrade-Städten gibt es mittlerweile auch Hochschulen in Deutschland, die sich um den Titel der Fairtrade-University bewerben können. Die durch das Siegel „Fair Trade“ ins Leben gerufene Kampagne soll das Bewusstsein für den fairen Handel fördern und auf dem Campus verbreiten, zusätzlich gibt es konkrete Umsetzungen von Aktivitäten. Sowohl die Studierenden als auch die Verwaltung sowie die gastronomischen Betriebe und Geschäfte der Hochschule setzen sich dabei für ein gemeinsames Ziel, den fairen Handel, ein.
ii. Gegenbeispiel Frankfurt
Der Titel muss aber nicht zwangsläufig bedeuten, dass eine Stadt oder Universität sich wirklich intensiv für den fairen Handel einsetzt. Dies zeigte zuletzt die Fairtrade-Stadt Frankfurt, wo die dortigen Ämtern und Betriebe, obwohl die Stadt schon seit 2011 zertifiziert ist, laut eines Berichts des Finanzdezernats die fair gehandelten Produkte kaum nutzen.
2. Ist Fairer Handel wirklich fair?
Zwar entwickelt sich der faire Handel zunehmend positiv und etabliert sich immer stärker in der Gesellschaft, dennoch stehen viele Verbraucher gleichermaßen vor der Frage, ob die Produkte wirklich das halten, was sie versprechen.
Immer wieder gab es in der Vergangenheit Grund zur Annahme, dass einige der Waren nicht den Kleinbauern, Fabrikarbeitern oder Plantagenarbeitern nützen, sondern lediglich die Geldbörsen der Verkäufer und Händler füllen. So ergab eine Studie von Forschern der „University of London“ beispielsweise, dass die Arbeitsbedingungen von Hilfsarbeitern sich in den vergangenen vier Jahren nicht verbessert haben. Bernd Müller, Mitautor der Studie, sagt dazu:
a. Etikettenschwindel?
Heute gibt es in Deutschland mehr als 1100 Produkte, welche ein „Fairtrade“-Siegel tragen. Sie lassen sich im Supermarkt, im Discounter, im Weltladen, im Bio-Laden und sogar an der Tankstelle finden und die Palette der Waren ist sehr vielfältig. Die GEPA, die Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt, gehört zu den Gründungsmitgliedern des fairen Handels und hat sich unlängst von dem “Fairtrade“-Gütesiegel verabschiedet.
Seitdem setzt die Gesellschaft auf das Logo „Fair+“, welches sich nicht nur auf Anbau und Verkauf der Rohware bezieht, sondern selbst zu 100% fair arbeitet – demnach kommen die Gewinne eines Produktes also bei allen Verarbeitungsstufen den Produzenten zugute, was beim Fairtrade-Siegel nicht der Fall war.
Weiterhin ist auch eine klare Kennzeichnung der Produkte von großer Wichtigkeit, denn die ausgelobten fairen Eigenschaften von Lebensmitteln lassen sich als Konsument nicht überprüfen – sie werden als sogenannte Vertrauenseigenschaften bezeichnet.
Anbieter solcher Produkte haben aus diesem Grund nach Meinung von Kritikern eine gewisse Bringschuld, Wörtchen oder Label wie „Fair“ im Unternehmens- oder Produktnamen müssen sie daher erläutern. Ebenso muss die Herkunft der Rohstoffe transparent und nachvollziehbar sein.
Laut der Website Umweltdialog mangelt es jedoch an genau dieser Kennzeichnung: ein Marktcheck von 32 Lebensmitteln aus Supermärkten, Drogerien oder Weltläden ergab, dass es bei der Hälfte der Produkte Mängel gab. Zudem gibt es weitere Hersteller, die gar nichts mit dem traditionellen Ansatz des fairen Handels zu tun haben und dennoch eine entsprechende Kennzeichnung aufweisen. Folgende Kritikpunkte traten bei den durchgefallenen Nahrungsmitteln am häufigsten auf:
So entsteht ein Missbrauch der Nachfragemacht, welche sich auf den europäischen Einzelhandel wie auch auf die Produktionsländer und alle Ebenen der landwirtschaftlichen Wertschöpfungsketten auswirkt. Letztendlich leiden darunter gerade Kleinbauern und Arbeiter, welche sich am Anfang der Lieferkette befinden und zwar sowohl in Europa als auch im globalen Süden.
Die durchaus dramatischen Folgen beinhalten unter anderem eine unsichere Lebensgrundlagen, Umweltzerstörung, prekäre Anstellungsverhältnisse und Kinderarbeit. Gerade deshalb stehen die G-7-Länder – denn aus diesen stammen die meisten der großen Konzerne – in der Pflicht, verstärkt darauf Acht zu geben, dass es in ihren Zuliefererketten nicht zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Es werden zu diesem Zweck verbindliche gesetzliche Regelungen gefordert, die derzeit aber noch nicht durchgesetzt wurden.
c. Trotz aller Kritik: Fairer Handel hilft
Wenngleich Fairtrade also nicht durchweg positiv betrachtet werden darf und es immer noch einige schwerwiegende Probleme gibt, so hat der faire Handel andererseits auch schon viel erreicht. Laut des Jahresberichts von Fairtrade International, der auf epo.de in gekürzter Fassung zu finden ist, konnten Bauern und Arbeitskräfte auf der ganzen Welt abermals von gestiegenen Fairtrade-Absätzen profitieren.
Demnach erhielten Produzentinnen und Produzenten Prämiengelder in Höhe von rund 105 Million €, die sie wiederum in ihre Betriebe und sozialen Projekte investierten. Für diesen Erfolg sind vor allem die klassischen Produkte verantwortlich, darunter beispielsweise Baumwolle oder Kakao.
Es gibt aber auch neue Bezugsquellen, unter anderem das Fairtrade-Gold. Als absatzstärkstes Produkt gilt die Banane, von der rund 439.000 t verkauft wurden, dahinter folgt der Kaffee mit rund 93.000 t. Wie bereits erwähnt sind auch Kakao und Baumwolle weit vorne mit dabei, wobei der Kakao ein Plus von 24% erwirtschaften konnte und die Baumwolle ein Plus von 28 % verzeichnete. Gleichermaßen ging die Umfrage nicht nur auf die reinen Zahlen ein, sondern fragte auch nach der Zufriedenheit der Mitglieder.
93 % der Produzenten sind mit der erhaltenen Unterstützung zufrieden sind – eine insgesamt also offenbar durchaus positive Wirkung für Kleinbauern und Arbeitskräfte. Die positiven Entwicklungen ändern allerdings nichts daran, dass die Arbeits- und Lebensbedingungen vieler Bauern auf der ganzen Welt noch immer problematisch sind.
3. Wie Biosiegel und Fairtrade-Produkte den Kunden locken
Derzeit kann Fairtrade noch nicht ganz mit dem Erfolg der allgegenwärtigen Bio-Produkte mithalten. Die Markttrends beider Produkte zeigen jedoch deutlich, wie sich das neue grüne Denken auf die Konsumkultur auswirkt. Die Märkte der Zukunft sind grün, es stehen also Umweltschutz, Ressourceneffizienz und Corporate Social Responsibility im Fokus und werden das Wirtschaftssystem auch zukünftig noch stark verändern.
Wirtschaftliches Wachstum kann mittlerweile effektiv durch eine Mischung aus Ökologie, Ökonomie und gesellschaftlichem Engagement erzielt werden, wie auch eine großangelegte Studie des Zukunftsinstituts belegt.
Ethik und Moral sind im Prinzip zum Trend geworden, beruhigen sie doch das Gewissen der Konsumenten auf schnelle und angenehme Weise, indem einfach ein entsprechend faires oder ökologisches Produkt gekauft wird. Dieses neue Denken äußert sich auch darin, dass die Aufmerksamkeit für die sozial-ökologische Verantwortung von Unternehmen steigt.
a. Kaufmotivation: Fairtrade gilt als angesagter Lifestyle
Wie der Raab-Verlag in einem Artikel berichtet, gibt es insgesamt fünf Kaufmotivationen, die den Menschen dazu anregen, ein Produkt zu kaufen. Darunter fallen Habgier, Schuld, Wut, Angst und Exklusivität, wobei Fairtrade-Produkte einerseits sicherlich das Schuldempfinden ansprechen (man selbst lebt im Wohlstand, die Menschen in Produktionsländern hingegen nicht), andererseits aber auch eine gewisse Exklusivität zum Tragen kommt.
Der Kauf von Fairtrade-Produkten ist auch heute noch immer etwas Besonderes, zudem sind die Produkte in der Regel teurer und zeigen anderen, dass der Betreffende sich mehr leisten kann. Zudem grenzt er sich durch den Kauf von anderen ab und macht sich selbst zum Teil einer Gruppe, zu der nicht jeder gehört. Nicht zuletzt lässt sich außerdem der soziale Status durch den Kauf heben, sei es nun aufgrund eines positiven, nachhaltigen Hintergrunds oder der Tatsache, dass gerne investiert wird.
b. Fairtrade gilt als Qualitätsmerkmal
Fairtrade wird nicht nur mit Nachhaltigkeit in Verbindung gesetzt, sondern gilt auch gleichermaßen als eine Art Qualitätsmerkmal. Viele Verbraucher gehen davon aus, dass beispielsweise fair gehandelter Kaffee besonders hochwertig und natürlich ist. Dem ist jedoch in der Realität nur teilweise so und hauptsächlich wird diese Annahme von dem Kaufimpuls beeinflusst, dass teurere Produkte (wie beispielsweise Fairtrade-Produkte) automatisch auch besser seien.
Dieses System wird jedoch häufig ausgenutzt, wie Kaffeeexperten befürchten. Sie vermuten laut Zeit Online, dass die Qualität der Bohnen nicht geprüft, sondern pauschal abgenommen wird – Bauern erwerben so möglicherweise Zertifikate für ihre schlechteren Bohnen. Zwar wehren sich Dienstleister wie FairTrade gegen diese Aussage, jedoch gibt es für die Bauern aktuell wirklich keinen Grund, auf hohe Qualität zu setzen. Denn FairTrade achtet zwar auf die Rechte der Arbeiter, dafür jedoch nicht so stark darauf, wie gut das Endprodukt letztendlich ist.
i. Experten kritisieren: Fair Trade ist nur ein „Gewissenssiegel“
Generell sollten Nachhaltigkeit und fairer Handel nicht mit der Qualität des Produktes gleichgesetzt werden, wenngleich dies natürlich auch nicht ausgeschlossen ist. Derzeit sind fair gehandelte Produkte aber vor allem eins: gute Alternativen zu Markenprodukten, von denen die Herstellerländern und Produzenten einen gerechten Anteil erhalten – kurzum geht es also vor allem um Gerechtigkeit und darum, den Kauf mit dem Gewissen vereinbaren zu können.
c. Konsumenten wünschen sich Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit gilt derzeit als hip und vielen Menschen reicht es nicht mehr aus, dabei allein auf Bio zu setzen. Das Bewusstsein der Verbraucher ist in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen, problematisch wird es allerdings für die Händler. Denn diese stehen vor der Herausforderung, das komplexe Thema zielgruppengerecht zu kommunizieren, indem sie ihr Engagement für Umwelt und Soziales nach außen tragen, dabei aber den richtigen Ton treffen müssen, um ein dauerhaftes Interesse zu schaffen.
d. Vom Fair Trade zum Fair Business
Effizienz ist nicht alles, darüber sind sich heute mehr und mehr Unternehmen im Klaren. Stattdessen müssen Organisationen und Konzerne heterogen und flexibel sein, damit sie auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren können. Das Zauberwort diesbezüglich lautet Resilienz und bringt es mit sich, dass das Fortbestehen eines Unternehmens über der Profitmaximierung steht.
Konkret bedeutet das, dass Mitarbeiter fair behandelt werden und ihnen sowohl Vertrauen als auch Sicherheit entgegengebracht wird. Aus dieser Sichtweise, die sich stetig weiter etabliert, entstand ein gänzlich neuer Unternehmenstypus. Dieser ist von der Idee geprägt, dass ökologische, ökonomische und soziale Ziele nicht zwangsläufig in Konflikt miteinander stehen müssen, sondern sich stattdessen zu einem positiven Ergebnis aufaddieren lassen, welches auch der Firma zugutekommt.
Eine solche Nachhaltigkeitsstrategie ist bereits bei ersten Konzernen zu erkennen und wird durchaus ernsthaft umgesetzt, zum Beispiel bei Puma oder BMW. Unternehmen, die diese soziale Frage hingegen vernachlässigen, können dies im schlimmsten Fall stark zu spüren bekommen.
Dies zeigte sich unter anderem beim bekannten Schlecker-Imperium. Ethische Grundsätze wurden vernachlässigt und dies bekam der Konzern zu spüren, Wettbewerber und Gewinner – in diesem Fall die DM-Drogerien – konnten gleichzeitig mit ökosozialer Verantwortung punkten und ließen den Konkurrenten weit hinter sich zurück.
i. Deutschland ist sehr preisbewusst
Die Geiz-ist-geil-Ära ist zwar längst vorbei, dennoch herrscht insbesondere in Deutschland ein sehr starkes Preisbewusstsein vor. Dies zeigt sich beispielsweise, wenn der massive Fleischkonsum der Deutschen betrachtet wird. Und auch im europaweiten Vergleich sind Lebensmittel von Markenherstellern nirgends so günstig wie in Deutschland, teilweise kosten sogar ausländische Produkte weniger als in ihrem Herkunftsland.
Schuld daran ist insbesondere der Kampf unter den deutschen Discountern, die mit ihren Preisen immer weiter heruntergehen und sich gegenseitig unterbieten. Auf diese Weise entstehen sehr günstige Standardpreise, hinzukommen außerdem viele Sonderangebote, die das Preis-Image des Handels nochmals nach außen tragen. Obwohl die Deutschen insgesamt so preisbewusst und -sensibel sind, so zeigt sich in Bezug auf fair gehandelte Produkte ein anderes Bild.
Laut einer Studie des Zukunftsinstituts achten allein 54 % der Deutschen beim Einkauf auf möglichst preiswerte Produkte, 46 % geben an, dass sie fair gehandelte Produkte nicht kaufen, da diese Ihnen zu teuer sind. Gleichzeitig zeigt sich aber auch ein deutlicher Wandel dieser Mentalität – weg vom billigen Schnäppchen, hin zu differenzierten, ausgeprägten Qualitätsansprüchen.
4. „Der faire Handel auf dem Prüfstand“ – eine Doku sorgt für Wirbel
Der Fernsehsender ARTE veröffentlichte 2013 die Dokumentation „Der faire Handel auf dem Prüfstand“ des französischen Filmemachers Donatien Lemaitre, die schon im Vorfeld für Aufsehen sorgte. Vor allem die Kritik am Fairtrade-Siegel, die zunehmende Präsenz im Supermarkt und die vielen Partnerschaften mit multinationalen Konzernen sorgten dabei für Unmut, aber auch die Problematik von Wanderarbeitern, welche nicht vom Fairtrade profitieren, wurden behandelt.
Neben den teilweise fraglichen Methoden und Entwicklungen kritisierte Lemaitre außerdem den grundsätzlichen Nutzen des Fairen Handels, denn einerseits sind es gerade die großen Handelsriesen, die dank der fair gehandelten Produkte stark profitieren, und andererseits zahlen die Verbraucher einen höheren Preis.
a. Rechtfertigungen der Fairtrade-Organisationen
Fairtrade nahm kurz nach Ausstrahlung der Dokumentation Stellung zu den Vorwürfen und nimmt die konstruktive Kritik einerseits an, ist andererseits aber auch bemüht, sich zu rechtfertigen (die vollständige Stellungnahme kann hier nachgelesen werden). Unter anderem geben die Verantwortlichen zu bedenken, dass sie sich eine ausgewogenere Berichterstattung gewünscht hätten, in der auch die positiven Aspekte des Fairen Handels genauer beleuchtet worden wären.
Stattdessen ist der Film laut Fairtrade vor allem darauf ausgelegt, eine negative Polarisierung herzustellen. In einer sehr umfassenden Stellungnahme geht das Unternehmen auf die Kernpunkte der Dokumentation ein und räumt dabei auch einige Fehler ein, bekräftigt andererseits aber auch eigene Standpunkte.
b. Stellungnahme der GEPA
Auch die GEPA äußerte sich zu den Geschehnissen der Dokumentation, wenngleich sich nur einmal konkret auf sie bezogen wird. Da der Film hierbei vor allem positive Aspekte hervorhob, wie beispielsweise die Entwicklungszuschläge durch Gemeinschaftsprojekte oder die nunmehr höheren Bildungschancen von Kleinbauern, konnte GEPA diesbezüglich nur die genannten Punkte bestätigen. Die detaillierte Stellungnahme ist unter weltundhandel.de zu finden.
5. Fazit
Geht es um die letztendliche Bewertung von fair gehandelten Produkten, so sind diese weder durchweg positiv noch komplett negativ zu betrachten. Fortschritte bezüglich der Arbeits- und Lebensbedingungen von Kleinbauern sind teilweise durchaus gegeben, wenngleich viele Produzenten noch immer über eine untragbare Situation klagen.
Auch in der Bevölkerung sorgt der Faire Handel dafür, dass die Themen Nachhaltigkeit und Umwelt eine immer stärkere Beachtung finden und beim Einkauf berücksichtigt werden. Andererseits lässt sich jedoch kaum leugnen, dass viele Verkäufer mehr als vorgesehen von dem Konzept des Fairen Handels profitieren und die Einnahmen dementsprechend nicht immer dort ankommen, wo sie benötigt werden.