HGB und IFRS: Gewinn- und Verlustrechnung mit konträren Ergebnissen
Die Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung sind Bestandteile eines Jahresabschlusses. In diesem Zahlenuniversum finden Anleger alles, was sie wissen müssen. Ist das Unternehmen solide finanziert? Wie steht es um Schulden, Verluste und Gewinn?
Wer sich für die Ertragslage interessiert, schaut in die Gewinn- und Verlustrechnung. Wie hoch waren Umsätze, Kosten und Abschreibungen? Und vor allem: Was blieb als Überschuss?
Jahresabschlüsse nach HGB und IFRS
Doch Abschluss ist nicht gleich Abschluss. Der eine richtet sich nach dem Handelsgesetzbuch (HGB), der andere nach den Regeln der International Financial Reporting Standards (IFRS). Den müssen große Aktiengesellschaften zusätzlich zum HGB-Abschluss erstellen.
Die Gewinn- und Verlustrechnung deutscher Konzerne richtet sich zunächst nach den Vorgaben des HGB. Dieses erlaubt neben dem Gesamtkosten- ein Umsatzkostenverfahren. Letzteres gibt es auch als IFRS-Variante. Zwei Systeme aus zwei Welten also. Und damit ergeben sich auch keine einheitlichen Ergebnisse.
Gewinn- und Verlustrechnung mit verschiedenen Ansätzen
Im Gegenteil. Während bei HGB-Abschlüssen vorwiegend die Interessen der Gläubiger im Vordergrund stehen, sind es bei IFRS-Abschlüssen die der Aktionäre.
Diese verschiedenen Ausrichtungen führen zu unterschiedlichen Wertansätzen in der Gewinn- und Verlustrechnung und in der Bilanz. Je nach Ansatz können so seltsame Ergebnisse zustande kommen.
Ein besonders krasses Beispiel war der Jahresabschluss der Commerzbank von 2011. Sie vermeldete einen Gewinn von 638 Mio. € und zugleich einen Verlust von 3,6 Mrd. €. Der Gewinn stand im Jahresabschluss nach IFRS und erfreute die Anleger.
Der Verlust stand im HGB-Abschluss. Der Bund bzw. der Rettungsfonds Soffin, bei dem die Bank in der Kreide stand, war weniger erbaut. Denn solange nach den HGB-Regeln kein Gewinn da war, bekam er von der Commerzbank keine Zinsen.
Die Aktionäre waren schon angesichts der geplanten Kapitalerhöhung beruhigt, der Steuerzahler ging leer aus und alles wunderte sich.
HGB und IFRS – mal Verlust mal Gewinn
Wie kam es dazu? Die Commerzbank hatte einfach wichtige Ausgabenposten außerhalb der der Gewinn- und Verlustrechnung verbucht. Eine Entschädigungszahlung an Soffin über 1 Mrd.€ erschien nicht bei den Kosten, sondern als vermindertes Eigenkapital.
Auch eine Abschreibung über 2 Mrd.€ auf die Problemtochter Eurohypo lief außerhalb der Gewinn- und Verlustrechnung. Zum Plus beim IFRS-Abschluss verhalf zudem ein Buchgewinn durch den Rückkauf eigener Schuldpapiere.
Bei der Verbuchung nach den Regeln des HGB hingegen ergab die Gewinn- und Verlustrechnung ein komplett anderes Bild. Aus dem schönen Gewinn wurde ein riesiger Verlust. Diese kreative aber legale Bilanzierungspolitik hatte bereits im Jahr davor zu ähnlich grotesken Ergebnissen geführt und allgemein Kritik hervorgerufen.
Zentrale Unterschiede erkennen
Verwirrte Anleger fragen sich zu Recht: Was bitte ist nun Gewinn und was ist Verlust? Antwort: Es kommt darauf an. Das hilft natürlich nicht weiter, zeigt aber, was zum Verständnis wichtig ist: Der Unterschied zwischen beiden Bilanzierungsarten. Er liegt wesentlich darin, was in der Aufstellung wie zu bewerten ist.
Ein Beispiel ist der Umgang mit nicht realisierten Gewinnen. Wenn etwa bestellte Produkte hergestellt aber noch nicht verkauft sind, lassen sich die entsprechenden Beträge nach IFRS bereits als Gewinn ausweisen.
Genau das Gegenteil erfordern die Regeln des HGB. Ähnlich das Bild bei Forschungs- und Entwicklungskosten etwa in der Autoindustrie. Nach HGB werden sie sofort verrechnet, nach IFRS nicht. Im einen Fall drücken sie den Gewinn, im anderen Fall nicht.
Bei kreativer Bilanzpolitik hilft Kapitalflussrechnung
Die IFRS-Regeln sollten die Abschlüsse international vergleichbarer machen und den Anlegerschutz verbessern. Doch weil Unternehmen nach IFRS mit Gewinnen und Eigenkapital in der Regel besser dastehen, kann der Anleger den HGB-Abschluss zumindest als Korrektiv verwenden.
Letztlich hilft bei kreativer Bilanzgestaltung vor allem ein Blick in die Kapitalflussrechnung. Die zeigt eindeutig, wieviel Geld in ein Unternehmen ein- und aus ihm herausgeflossen – und was übrig geblieben ist.