So wirken sich schwankende Vermögenswerte in der Bilanz aus
Wer als Anleger die Bilanz von Unternehmen anschaut und sehen will, wie hoch ihr Anlage- oder Umlaufvermögen bewertet ist, stößt auf Begriffe wie Fair Value oder beizulegender Wert. Auch wenn sie verbreitet in einem Atemzug genannt werden, so bestehen im Ansatz Unterschiede.
Beizulegender Wert – der Effekt veränderter Preise
Zunächst ist ein beizulegender Wert der Wert, der einem Vermögensposten beigelegt wird, um dessen Höhe in der Bilanz auf den Stichtag bezogen darzustellen. Werte, die sich verändern, müssen bei deren Abschreibung aktuell angesetzt werden.
Vereinfacht gesagt: Es darf nicht zuviel abgeschrieben werden. Immerhin kann bei erworbenen Vermögensgegenständen der beizulegende Wert unter deren Buchwert sinken, was eine Anpassung in Form einer außerplanmäßigen Abschreibung erfordert. Vergleichsweise einfach ist die angepasste Bewertung, wenn es für die Vermögensgegenstände einen nachvollziehbaren Börsen- bzw. Marktpreis gibt. Bei Rohstoffen etwa wie Öl können die Preise erheblich schwanken.
Erforderliche Anpassung bei der Abschreibung: ein Beispiel
Kauft beispielsweise ein Unternehmen Mitte des Jahres Öl zu Verarbeitung teurer ein als es zu Ende des Bilanzjahres wert ist und hat es noch die Hälfte davon auf Lager, muss es eine Abschreibung auf die Wertdifferenz vornehmen.
Ein konkretes Beispiel: Wenn es Mitte des Jahres 2 Mio. Liter zum Literpreis von 0,50 € eingekauft hat, wurden die Vorräte im Wert von 1 Mio. eingebucht. Sind im Herbst noch 1 Mio. Liter Öl vorhanden und ist der Preis zwischenzeitlich auf 0,40 € pro Liter gesunken, so hat der verbleibende Bestand einen Wert von nur noch 400.000 €. Der nun geringere Vermögenswert wird in der außerplanmäßigen Abschreibung angesetzt.
Umlaufvermögen anders als Anlagevermögen
Dies entspricht dem handelsrechtlichen Grundsatz des Niederstwertprinzips für die Folgebewertung. Handelt es sich um Umlaufvermögen wie Vorräte, Forderungen aus Lieferung und Leistung oder Wertpapiere, so gilt ein „strenges Niederstwertprinzip“. Die Abschreibung muss vorgenommen werden und sie belastet den Gewinn.
Im Gegenzug greift das „Wertaufholungsgebot“, wenn sich die Preise nach einem Absinken wieder erholen und der damit der Grund für die außerplanmäßige Abschreibung entfällt. Auch in dem Fall zählt der Marktpreis als beizulegender Wert.
Beim Anlagevermögen wiederum, also Maschinen, Fahrzeuge oder Immobilien sieht das Handelsrecht ein „gemildertes Niederstwertprinzip“ vor. Hier ist eine Abwertung nur dann vorzunehmen, wenn die Wertminderung voraussichtlich dauerhaft ist. Landet ein Lieferwagen im Graben, ist der Totalschaden natürlich dauerhaft.
Bei Aktien jedoch bzw. Finanzanlagen muss die Wertminderung nicht dauerhaft sein. Hier ermöglicht das Handelsgesetzbuch eine außerplanmäßige Abschreibung auch bei nicht dauerhafter Wertminderung.
Bricht etwa wie bei Volkswagen nach Bekanntwerden von Abgasmanipulationen der Aktienkurs erheblich ein, so ist das zwar keine normale Kursschwankung mehr, die Wertminderung kann aber mehr oder weniger dauerhaft sein. Die Börse ist nicht vorhersehbar.
Fair Value statt Marktpreis
Ist der beizulegende Wert bei klaren Preisen und Kursen feststellbar, so gibt es für Geschäftsanteile aber in der Regel keinen eindeutigen Marktpreis. In dem Fall wird ein beizulegender Wert mithilfe einer Unternehmensbewertung ermittelt.
Spätestens hier kommt der Begriff Fair Value ins Spiel, bei dem sich der Wert gegebenenfalls nach dem richtet, was sachverständige und unabhängige Geschäftspartner zahlen würden. Dies entspricht zwar in der Regel dem beizulegenden Zeitwert, der seit der Bilanzrechtsreform 2009 angewendet wird.
Bei genauer Betrachtung jedoch besteht unter Berücksichtigung der verschiedenen Bilanzierungsregeln ein Unterschied: Fair Value orientiert sich nach IAS/IFRS am Ertragswert, der beizulegende Wert nach HGB am Substanzwert. Und da zudem bei den internationalen Rechnungslegungsstandards verschiedene Ansätze bestehen, kann es im Ergebnis zu völlig unterschiedlichen Bilanzergebnissen kommen.