Bilanzserie Teil 3: Geschäftsbericht sowie Aktiv- und Passivseite
In dieser Ausgabe finden Sie den 3. und damit vorerst letzten Teil unserer Bilanzserie. Nachdem Sie im 1. und 2. Teil das Wichtigste über die Kapital- und Vermögensstruktur sowie die Liquidität und Rentabilität von Unternehmen erfahren haben, widme ich mich heute für Sie der Aktiv- und der Passivseite von Bilanzen. Diese Serie soll Ihnen dabei helfen, selbst nach den Prinzipien der Value-Schule Anlageentscheidungen treffen zu können.
Die grundlegende Informationsquelle über Aktiengesellschaften sind die Geschäftsberichte. Diese erscheinen jährlich nach Abschluss des Geschäftsjahres (muss nicht deckungsgleich mit dem Kalenderjahr sein) und enthalten den Jahresabschluss (also die Bilanz) und die sogenannte Gewinn- und Verlustrechnung (GuV abgekürzt) für das abgelaufene Geschäftsjahr.
Im Anhang der Bilanz werden weitere Informationen über die Bewertungsansätze, Abschreibungsmethoden etc. veröffentlicht. Ohne diese Zusatzinformationen sind Bilanz und GuV oft wenig aufschlussreich.
Der Geschäftsbericht eines Unternehmens
Der Geschäftsbericht enthält einen Lagebericht, in dem der Vorstand die Aktionäre über die Entwicklung des Unternehmens unterrichtet. Der Lagebericht bezieht sich auf den Zeitraum seit dem Bilanzstichtag (also zu dem Stichtag, zu dem die Bilanz aufgestellt wurde). Er soll aber vor allem auch die absehbare Entwicklung im weiteren Verlauf des laufenden Geschäftsjahres darstellen.
Der Geschäftsbericht muss von einem Wirtschaftsprüfer durch dessen Unterschrift testiert werden. Dafür muss er zunächst prüfen, ob der Geschäftsbericht den gesetzlichen Anforderungen entspricht und ordnungsgemäß erstellt wurde. Sofern dies der Fall ist, erhält das Unternehmen die notwendige Unterschrift des Wirtschaftsprüfers.
Achtung: Wenn Sie erfahren, dass es Probleme bei der Abschlussprüfung gab oder noch immer gibt, ist das ein wichtiges Alarmsignal! Aber selbst ein positives Testat ist keine „Erfolgs-Garantie“. Sie dürfen zum Beispiel keinesfalls erwarten, dass der Bestätigungsvermerk des Wirtschaftsprüfers Aufschluss darüber gibt, ob eine seitens des Unternehmens getätigte Investition für dieses vorteilhaft ist oder nicht.
Der Wirtschaftsprüfer bestätigt lediglich, dass die Buchführung des Unternehmens ordnungsgemäß ist. Der Geschäftsbericht enthält neben den eben genannten Pflichtinformationen im Regelfall weitere – nach An sicht des Vorstands für die Leser interessante – Angaben, wie zum Beispiel Informationen über die Geschäftszweige, in denen das Unternehmen tätig ist und natürlich auch über die Aktie und gegebenenfalls über die Aktionärsstruktur.
Abgerundet wird der Geschäftsbericht durch mehrjährige Übersichten und Informationen über den Beteiligungsbesitz der Aktiengesellschaft. Da ein Geschäftsbericht öffentlich zugänglich ist und somit auch von Konkurrenten gelesen wird, dürfen Sie darin keine vertraulichen Informationen erwarten.
Der Vorstand – als derjenige, der für den Geschäftsbericht verantwortlich ist – wird die Entwicklung des Unternehmens aus seiner Sicht schildern. Dies sollten Sie bei der Lektüre stets berücksichtigen und daher auch versuchen, „zwischen den Zeilen“ zu lesen, denn dort werden Sie noch am ehesten versteckte negative Hinweise finden.
Die Bilanz und ihre beiden Seiten
Eine Bilanz ist eine auf einen Stichtag bezogene Gegenüberstellung. Auf der einen Seite dieser Gegenüberstellung werden die Vermögensgegenstände aufgeführt (Aktivseite) und auf der anderen Seite (Passivseite) wird die Herkunft der Mittel aufgeschlüsselt, mit denen die Vermögensgegenstände auf der Aktivseite erworben worden sind.
Per Definition müssen beide Seiten einer Bilanz stets gleich groß sein, denn jeder Vermögensgegenstand auf der Aktivseite muss durch Eigen- oder Fremdkapital auf der Passivseite finanziert sein. Mit gleich groß ist übrigens die Bilanzsumme gemeint. Wenn auf der Aktivseite unter dem Strich ein Betrag von 1 Mio. Euro steht, so muss auch auf der Passivseite unter dem Strich ein Betrag in gleicher Höhe stehen.
Da sich auch die Bilanzpositionen Kasse und Bank auf der Aktivseite der Bilanz befinden, bleibt die Bilanz auch dann im Gleichgewicht, wenn etwa mehr Finanzmittel aufgenommen als unmittelbar für Investitionen benötigt werden.
Denn: Wenn das Eigenkapital oder das Fremdkapital zunimmt und dieses Geld nicht unmittelbar investiert wird, so landet es zunächst in der Kasse (dort befinden sich Barmittel) oder wird unter der Bilanzposition Bank verbucht (dort wird Bankguthaben angezeigt).
Aktiv- und Passivseite einer Bilanz
Einen groben Überblick über den Aufbau einer Bilanz düften Sie jetzt haben. Doch was bedeuten die einzelnen Positionen einer Bilanz? Auch wenn dieses Rechenwerk für ungeübte Leser auf den ersten Blick wie ein „Buch mit sieben Siegeln“ aussieht – mit ein wenig Zeitaufwand erhalten Sie ein recht detailliertes Bild des Unternehmens.
Beginnen wir mit der Aktivseite der Bilanz: Zunächst wird die Bilanz (auf der Aktiv- und Passivseite) nach Fristigkeiten unterteilt, sodass auf der Aktivseite zwischen langfristigen (Anlagevermögen) und kurzfristigen Vermögensgegenständen (Umlaufvermögen) unterschieden werden kann. Bei Fristigkeiten von mehr als einem Jahr handelt es sich um langfristige Vermögensgegenstände.
Zudem wird zwischen immateriellen Vermögensgegenständen (z. B. Patente), Sachanlagen (z. B. Grundstücke und Gebäude) und Finanzanlagen (dauerhaft im Besitz befindliche Wertpapiere) unterschieden. Zum Umlaufvermögen eines Unternehmens zählen alle Güter, die nur vorübergehend im Unternehmen bleiben sollen.
Dazu zählen beispielsweise Vorräte und Forderungen. Weiterhin befinden sich flüssige Mittel auf der Aktivseite der Bilanz, zu denen u. a. Wertpapiere, Guthaben bei Banken und der Kassenbestand zählen. Auch die Passivseite einer Bilanz wird nach Fristigkeiten gegliedert.
Da Eigenkapital dem Unternehmen theoretisch unendlich zur Verfügung steht, hat dieses per Definition eine längere Laufzeit als Fremdkapital, was als Schulden (lang- bzw. kurzfristig) gekennzeichnet ist. Innerhalb des Fremdkapitals wird bei den Fristigkeiten zwischen Rückstellungen und Verbindlichkeiten (Schulden) differenziert.
Rückstellungen sind bei den Managern in Deutschland aus mehreren Gründen besonders beliebt: Sie unterliegen nicht wie thesaurierte (einbehaltene) Gewinne der Körperschaftsteuer. Es ist deshalb für eine Aktiengesellschaft interessant, einen Teil des Gewinns so lange wie möglich als Rückstellung zu verbuchen und diese erst so spät wie möglich gewinnerhöhend aufzulösen.
Dadurch wird die Zahlung der Körperschaftsteuer hinausgeschoben und der Steuerbetrag steht dem Unternehmen noch eine Zeit lang für Investitionszwecke zur Verfügung. Durch eine erhöhte oder verminderte Dotierung der Rückstellungen kann eine gewisse Glättung des Unternehmensgewinns über die Zeit erreicht werden.
Dadurch wird einerseits eine kontinuierliche Dividendenzahlung ermöglicht und andererseits für eine bestimmte Zeit das „Verstecken“ von Verlusten durch Auflösung oder geringere Dotierung der Rückstellungen.
Fazit: Ein Unternehmen kann den Gewinn legal nach oben und unten korrigieren. Dadurch gibt es häufig „Punktlandungen“ bei den Jahresprognosen. Auf Dauer kann das Management die echte Geschäftslage jedoch nicht überdecken. Daher lohnt sich die Lektüre für Sie als Aktionär.